Robert Klatt
Infokampagnen, die zu einem geringeren Fleischkonsum raten, verursachen bei vielen Menschen eine psychologische Reaktanz. Diese „Trotzreaktion“ führt dazu, dass die Personen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen und trotz der Informationen ihr problematisches Verhalten beibehalten oder verstärken.
Bamberg (Deutschland). Die Fleischproduktion ist laut einer Studie der Unternehmensberatung PwC Strategy& die ineffizienteste Form der Nahrungsmittelproduktion und gefährdet durch ihren hohen Flächenbedarf die globale Lebensmittelversorgung. Zudem verursacht die konventionelle Landwirtschaft hohe externalisierte Kosten. Eine Studie der Technischen Universität Nürnberg (TU Nürnberg) kam zu dem Ergebnis, dass deshalb in Deutschland Fleisch etwa doppelt so teuer sein müsste.
Um die Umweltschäden und die Gesundheitsrisiken durch den Fleischkonsum zu reduzieren, versuchen seit Langem zahlreiche Informationskampagnen und -broschüren Menschen zu überzeugen, ihr Verhalten zu ändern. Studien haben bereits bezeigt, dass solche Aufrufe wirken, aber nur einen begrenzten Effekt hat.
In der Psychologie gibt es die These, dass dafür die sogenannte psychologische Reaktanz verantwortlich ist. Demnach könnten Menschen durch die Aufforderungen, ihr Verhalten zu ändern, das Gefühl bekommen, nicht mehr selbst entscheiden zu dürfen. Sie fühlen sich dadurch in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt. Als Reaktion darauf ignorieren sie die Ratschläge oder verstärken das problematische Verhalten sogar. Die Effekte der psychologischen Reaktanz wurden bereits umfassend erforscht. Die kognitiven Prozesse hinter dem Verhalten sind aber noch weitestgehend unbekannt.
Forscher der Otto-Friedrich-Universität Bamberg um Philipp Sprengholz haben deshalb untersucht, ob und wie die psychologische Reaktanz Aufmerksamkeitsprozesse des Menschen beeinflusst. Laut ihrer Publikation im Journal of Health Communication wurden die Probanden in mehrere Gruppen unterteilt.
Die Testgruppe erhielt die Anweisung, ihren Fleischkonsum einzustellen, um sowohl ihre eigene Gesundheit als auch die Umwelt zu schützen. Im Gegensatz dazu wurde der Kontrollgruppe keine entsprechende Richtlinie gegeben. Aufgrund nachfolgender Analysen wurde deutlich, dass sich eine höhere Verärgerung bei den fleischkonsumierenden Mitgliedern der Testgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe entwickelte.
Um die Intensität der Reaktanz zu erforschen, verwendeten die Wissenschaftler ebenfalls ein sogenanntes Wortgitter. In diesem Gitter waren neben neutralen Ausdrücken wie „Papier“ oder „Mond“ auch Fleisch bezogene Begriffe wie „Wurst“ oder „Schnitzel“ eingestreut. Die Probanden wurden aufgefordert, ohne Vorbereitung Wörter in diesem Gitter zu identifizieren. Es stellte sich heraus, dass diejenigen, die besonders irritiert auf die Anweisung zur Reduzierung des Fleischkonsums reagierten, eine höhere Anzahl an Fleisch assoziierten Begriffen im Gitter entdeckten.
„Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Gesundheitsbotschaften ausgelöste Reaktanz unsere Aufmerksamkeit in Richtung ungesunder Konsumgelegenheiten verschieben kann. Dadurch kann die beabsichtigte Verhaltensänderung erschwert und ungesundes Verhalten möglicherweise sogar verstärkt werden.“
Zukünftige Untersuchungen sollen die Aufmerksamkeitsmechanismen und ihre Einflüsse auf reales Konsumverhalten detaillierter analysieren. Aus den gegenwärtigen Ergebnissen lässt sich bereits ableiten, dass Gesundheitskommunikation so gestaltet werden sollte, dass sie eine minimale Reaktanz hervorruft oder geeignete Schritte unternommen werden, um Aufmerksamkeitsverschiebungen zu justieren.
Journal of Health Communication, doi: 10.1080/10810730.2023.2217098