Wahrheitsrelativismus

Verschwörungstheorien sind Symptome von Subjektivismus

Robert Klatt

Verschwörungsgläubiger )kcotS ebodAtfarCaremaC(Foto: © 

Verschwörungstheorien sind ein Hinweis auf Subjektivismus, eine Form des Wahrheitsrelativismus, bei dem Menschen aus unterschiedlichen Gründen an objektiven Wahrheiten zweifeln.

Linköping (Schweden). Eine Studie der Emory University hat kürzlich belegt, dass die persönliche Motivation und eine Kombination aus Charaktereigenschaften Menschen anfällig für Verschwörungstheorien machen. Laut den Forschern um Shauna Bowes sind Verschwörungstheoretiker, die in Deutschland überdurchschnittlich oft AfD-Wähler sind, aber nicht geistig verwirrt oder einfältig.

Nun haben Wissenschaftler der Linköping University (LiU) erneut untersucht, wieso Menschen dazu neigen, an Verschwörungstheorien zu glauben. Laut ihrer Publikation im Journal of Research in Personality haben sie sich dabei auf die Wahrheitsfindung des Menschen konzentriert, die stark von der individuellen Wahrheitsdefinition abhängt. Menschen, die an objektiven Fakten zweifeln, sind demnach anfälliger für Verschwörungstheorien. Zudem sind Verschwörungstheorien glaubwürdiger, wenn die Wahrheit primär als subjektive Gefühlssache definiert wird.

Onlinebefragung mit 1.400 Menschen

An der Onlineumfrage nahmen mehr als 1.400 Probanden teil. Die Studie erforschte die verschiedenen Konzepte von Wahrheit, die den Probanden vorschwebten, ebenso wie ihr Ausmaß an Glauben an Verschwörungstheorien und ihre Bereitschaft, ihre Ansichten im Licht konträrer Beweise zu revidieren. Zusätzlich wurden die Teilnehmenden mit einer Reihe von Logikrätseln konfrontiert, um ihre analytischen Fähigkeiten zu evaluieren. Sie wurden auch dazu angehalten, die Bedeutsamkeit sowohl von nichtssagenden Äußerungen als auch von überlieferten Weisheiten zu bewerten.

Unterschiedliche Arten von Wahrheitsrelativismus

Die Reaktionen der Studienteilnehmer auf das Konzept der Wahrheit konnten statistisch zwei unterschiedlichen Arten des Wahrheitsrelativismus zugeordnet werden. Obwohl diese beiden Formen oft parallel auftreten, sind sie nicht immer miteinander verknüpft. Die erste Form betrachtet Wahrheit als subjektive Empfindung. Diese Tendenz zum Subjektivismus manifestierte sich etwa in der Zustimmung zu Sätzen wie „Wahrheit besteht lediglich aus persönlichen Ansichten“ oder „Wenn sich etwas authentisch anfühlt, muss es wahr sein.“

Die zweite Variante des Relativismus sieht Wahrheit als sozial und kulturell kontextabhängig (Kulturrelativismus). Ein illustratives Beispiel hierfür ist die Überzeugung, dass eine Aussage in einer bestimmten Kultur als wahr gelten kann, während sie in einer anderen Kultur nicht als solche anerkannt wird.

In Bezug auf den Kulturrelativismus konnten die Wissenschaftler kaum oder keine Verbindungen zum Glauben an Verschwörungstheorien feststellen. Bei der Form des Subjektivismus zeigten sich jedoch deutliche Assoziationen.

„Wer die Wahrheit für subjektiv hielt, glaubt eher an Verschwörungstheorien und hält auch eher an seiner Überzeugung fest, wenn die Fakten dagegensprechen.“

Selbst wenn keine signifikanten Unterschiede in anderen Attributen wie der politischen Orientierung oder den analytischen Fähigkeiten der Studienteilnehmenden feststellbar waren, blieb diese Assoziation bestehen. Zudem neigten die Anhänger des Subjektivismus im Vergleich zu den Verfechtern des Kulturrelativismus stärker dazu, in nichtssagenden Äußerungen eine verborgene Bedeutung zu sehen.

„Ich denke, dass viele Menschen, die den Begriff der Wahrheit relativieren, es eigentlich gut meinen. Aber unsere Ergebnisse zeigen, dass eine solche Sichtweise unter Umständen gefährlich sein kann.“

Die Orientierung der Subjektivisten an einem Gefühl des „Richtigen“ könnte sie potenziell darin einschränken, Verschwörungstheorien durch analytische Überlegungen kritisch zu prüfen.

Journal of Research in Personality, doi: 10.1016/j.jrp.2023.104394

Spannend & Interessant
VGWortpixel