Robert Klatt
Menschen denken oft, dass ihre Entscheidung oder ihr Standpunkt richtig ist, obwohl sie falsch liegen. Verantwortlich dafür ist ein psychologisches Phänomen, das als „Illusion der Informationsfülle“ bezeichnet wird.
Columbus (U.S.A.). Menschen denken bei Entscheidungen oder Auseinandersetzung mit einer anderen Person oft instinktiv, dass sie im Recht sind, obwohl sie sich oft irren. Forscher der Ohio State University (OSU) haben nun entdeckt, dass dieses Verhalten durch ein psychologisches Phänomen verursacht wird, das sie als „Illusion der Informationsfülle“ bezeichnen. Es handelt sich dabei um die instinktive Annahme, über alle relevanten Informationen über eine Entscheidung oder einen Standpunkt zu verfügen, obwohl dies nicht der Realität entspricht.
„Wir haben herausgefunden, dass Menschen im Allgemeinen nicht innehalten und sich fragen, ob es noch mehr Informationen geben könnte, die ihnen helfen würden, eine fundiertere Entscheidung zu treffen.“
Menschen denken also oft im Recht zu sein, weil sie lediglich über Teilinformationen verfügen, die zu ihrem Standpunkt oder ihrer Entscheidung passen.
„Wenn man den Menschen einige Informationen gibt, die zusammenzupassen scheinen, sagen die meisten: ‚Das klingt richtig‘ und stützen sich darauf.“
Laut der Publikation im Fachmagazin PLoS ONE haben die Wissenschaftler die „Illusion der Informationsfülle“ durch eine Onlineumfrage mit 1.261 Probanden entdeckt. Die Teilnehmer wurden in drei Gruppen aufgeteilt und lasen jeweils einen Artikel über eine fiktive Schule, die unter Wassermangel litt.
Eine Gruppe las einen Artikel, der nur Gründe für eine Fusion der Schule mit einer anderen Schule mit ausreichender Wasserversorgung nannte, eine zweite Gruppe las einen Artikel, der lediglich Argumente für das Verbleiben als eigenständige Schule und die Suche nach alternativen Lösungen enthielt und die Kontrollgruppe, erhielt alle Argumente sowohl für die Fusion als auch für den Verbleib.
Die anschließende Befragung der Probanden zeigt, dass auch Personen die lediglich Teilinformationen gelesen haben, also entweder nur die Pro- oder nur die Kontra-Argumente, dachten, dass sie alle relevanten Informationen kennen und somit eine fundierte Entscheidung treffen können. Ein Großteil der Probanden sprach sich dafür aus, den Empfehlungen des von ihnen gelesenen Artikels zu folgen.
„Diejenigen, die nur die halben Informationen hatten, waren tatsächlich selbstsicherer in ihrer Entscheidung für oder gegen die Fusion als diejenigen, die die gesamte Geschichte kannten. Sie waren sich ziemlich sicher, dass ihre Entscheidung richtig war, obwohl ihnen wichtige Informationen fehlten.“
Die Probanden, die nur die halben Informationen gelesen haben, dachten zudem, dass ein Großteil der anderen Menschen dieselbe Entscheidung treffen würde wie sie.
Anschließend haben die Teilnehmer, die zuvor nur die Teilinformationen kannten, die kompletten Informationen gelesen. Viele von ihnen waren anschließend bereit, ihre Meinung zu ändern. Laut den Forschern funktioniert dies bei besonders ideologischen Themen aber oft nicht, weil Menschen neuen Informationen misstrauen oder diese so umzuformen, dass sie ihre Meinung stärken.
„Die meisten zwischenmenschlichen Konflikte drehen sich jedoch nicht um Ideologie. Es sind einfach Missverständnisse im Alltag.“
PLoS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0310216