Dennis L.
Immer mehr Studierende lassen ihre Bachelor-, Master- und sogar Doktorarbeiten von Ghostwritern schreiben. Nur wenige dieser Fälle kommen ans Licht. Fachleute schätzen, dass mittlerweile rund 3,5 Prozent aller Studierenden professionelle Ghostwriter beauftragen. Doch warum schreiben immer weniger Studierende ihre Uni-Arbeiten selbst?
Wien (Österreich). Akademische Arbeiten erfordern Fachwissen, Motivation und Zeit. Manchen Studenten erscheint diese Herausforderung zu groß und sie suchen einen Ausweg in den bezahlten Dienstleistungen professioneller Autoren. Forscher fanden heraus, dass die Zahl der sogenannten Ghostwriter bzw. Ghostwriter-Agenturen in den letzten Jahren zunehmend angestiegen ist und mittlerweile rund 3,5 Prozent der Studierenden ihre Bachelor-, Master- oder sogar Doktorarbeit schreiben lassen.
Wer im Internet nach „Kosten für Bachelorarbeit schreiben lassen“ sucht, der findet nicht nur schnell eine ziemlich genau Kosteneinschätzung, sondern auch zahlreiche Ghostwriting-Agenturen für wissenschaftliche Arbeiten. Selbst an schwarzen Brettern von Universitätsgebäuden versprechen Flyer und Plakate "Hilfe gegen Schreibblockaden". Dahinter verbirgt sich oft nichts anderes als die Erstellung wissenschaftlicher Texte, einschließlich vollständiger Literaturrecherche.
Stefan Weber, Studienforscher an der Universität Wien, vermutet, dass rund 3,5 Prozent aller Studierenden Ghostwriting betreiben. Er beruft sich auf eine internationale Meta-Analyse, die 2017 im Journal of Academic Ethics veröffentlicht wurde. Bei rund 376.000 Studierenden im letzten Studienjahr wären das rund 13.000 Studierende - alleine in Österreich.
Die Gründe für die Beauftragung eines Ghostwriters sind vielschichtig und erfordern eine formale Ausbildung in dem jeweiligen Fachgebiet. Unzureichende Vorbereitung auf das wissenschaftliche Arbeiten oder zu wenig Zeit sind Argumente, welche immer wieder von Studierenden genannt werden. Die Studierenden greifen auf Ghostwriting zurück, wenn sie den Anforderungen des Schreibens in einem bestimmten Bereich nicht gewachsen fühlen. Studierende müssten sich für das wissenschaftliche Schreiben Fachwissen aneignen und den für ihr Fachgebiet typischen Sprachgebrauch erlernen. Dieser Aufwand wird von vielen unterschätzt.
Ein weiterer und nicht zu unterschätzender Grund ist zudem, dass viele die Studierende ihre wissenschaftliche Arbeit nicht in ihrer Muttersprache einreichen können. Experten gehen davon aus, dass wegen der sprachlichen Barriere viele Studierende auf Ghostwriter zurückgreifen. Zusätzlich gibt es Studierende, die sehr an dem akademischen Titel interessiert sind, nicht aber an dem dahinter stehenden Kompetenzerwerb.
Je nach Universitätsgesetz kann das Ghostwriting je gegen die Regeln verstoßen und auch wenn nur sehr wenige Studierende bei dem Betrugsversucht erwischt werden, so macht es durchaus Sinn im Vorfeld zu klären, in wie weit Ghostwriter die eigene wissenschaftliche Arbeit unterstützen dürfen.
Ghostwriting wird äußerst selten entdeckt. Das geht aus einer offiziellen Anfrage hervor: An der Universität Linz gab es im letzten Jahr zwei Verdachtsfälle von Ghostwriting, an der Universität Graz gibt es dazu keine Zahlen, heißt es. Die Studiengangsleiter melden zudem nicht unbedingt jeden Verdachtsfall.
„Das zeigt auch, dass es für Universitäten noch schwieriger ist, solche Vergehen zu erkennen als Plagiate, bei denen die Software Textübereinstimmungen erkennt“, heißt es weiter. Aber es gibt Anzeichen, die einen Betreuer misstrauisch machen können: Wenn Studierende beispielsweise schriftlich viel besser abschneiden als mündlich, kann das ein Hinweis darauf sein, dass eine Seminar- oder Abschlussarbeit nicht von ihnen stammt. Auch auf stilistische Ungereimtheiten sollten Lehrende achten.
Um das Ghostwriting einzudämmen, empfehlen Experten, dass ein Schreibtraining in jedem Lehrplan verpflichtend sein sollte. Gegenwärtig ist es meist nur ein Wahlfach. Wichtig ist hier auch die Vorbildfunktion der Lehrenden. Sie müssen glaubhaft vermitteln, warum man sich an wissenschaftliche Standards halten muss - schließlich ist das Alltag an einer Hochschule.
Journal of Academic Ethics; doi: 10.1007/s10805-017-9278-x