Robert Klatt
Der Salzgehaltsunterschied zwischen Meer- und Süßwasser ist eine bisher nahezu nicht erschlossene Energiequelle. Nun wurde ein nanofluides Gerät vorgestellt, das den natürlichen Ionenfluss in nutzbare elektrische Energie umzuwandeln kann.
Urbana (U.S.A.). Die Suche nach neuen, möglichst klimaneutralen Energiequellen gehört zu den größten Herausforderungen der Wissenschaft. Forscher der Northeast Normal University (NENU) haben kürzlich etwa einen innovativen Generator mit einem Nanomaterial entwickelt, der Energie aus der Luftfeuchtigkeit gewinnt. Eine weitere, bisher nahezu kaum verwendete Energiequelle liegt im Salzgehaltsunterschied zwischen Meer- und Süßwasser.
Wenn zwei Wasserkörper mit unterschiedlichem Salzgehalt aufeinandertreffen, fließen Salzmoleküle von höherer zu niedrigerer Konzentration. Die Energie dieser Ströme kann geerntet werden, da sie aus Ionen bestehen, die sich aus dem gelösten Salz bilden.
Forscher der University of Illinois at Urbana-Champaign (UIUC) um Jean-Pierre Leburton haben im Fachmagazin Nano Energy nun ein nanofluides Gerät vorgestellt, das den natürlichen Ionenfluss an den Grenzen von Meer- und Süßwasser in nutzbare elektrische Energie umzuwandeln kann.
„Obwohl unser Design derzeit noch ein Konzept ist, zeigt es bereits eine hohe Vielseitigkeit und ein starkes Potenzial für Energieanwendungen. Es begann mit einer akademischen Frage – 'Kann ein nanoskaliges Festkörpergerät Energie aus dem Ionenfluss extrahieren?' – aber unser Design hat unsere Erwartungen übertroffen und uns in vielerlei Hinsicht überrascht.“
Das Halbleitergerät nutzt den sogenannten Coulomb-Drag, der zwischen fließenden Ionen und elektrischen Ladungen besteht. Wenn die Ionen durch einen schmalen Kanal fließen, sorgen elektrische Kräfte dafür, dass sich die Ladungen von einer Seite zur anderen bewegen, wodurch elektrischer Strom erzeugt werden.
Als die Wissenschaftler ihr Gerät simuliert haben, konnten sie zwei überraschende Verhaltensweisen beobachten. Obwohl sie erwartet haben, dass der Coulomb-Drag primär durch die Anziehungskraft zwischen entgegengesetzten elektrischen Ladungen entstehen würde, offenbarten die Simulationen, dass die Technik auch gut funktioniert, wenn die elektrischen Kräfte abstoßend sind. Wie Mingye Xiong erklärt, lösen also sowohl positiv als auch negativ geladene Ionen den Coulomb-Drag aus.
„Ebenso bemerkenswert ist, dass unsere Studie einen Verstärkungseffekt aufzeigt. Da die bewegenden Ionen im Vergleich zu den Geräteladungen so massiv sind, übertragen die Ionen große Mengen an Impuls auf die Ladungen und verstärken so den zugrunde liegenden Strom.“
Überdies haben die Forscher entdeckt, dass der Coulomb-Drag unabhängig von der spezifischen Kanalkonfiguration sowie der Materialwahl ist, wenn der Kanaldurchmesser eng genug ist, um die Nähe zwischen den Ionen und den Ladungen zu gewährleisten.
„Wir glauben, dass die Leistungsdichte eines Geräte-Arrays der von Solarzellen entsprechen oder diese sogar übertreffen könnte. Ganz zu schweigen von den potenziellen Anwendungen in anderen Bereichen wie der biomedizinischen Sensorik und der Nanofluidik.“
Die Forscher sind aktuell dabei, ihre Erkenntnisse zu patentieren und ein Gerät für die praktische Stromerzeugung zu entwickeln.
Nano Energy, doi: 10.1016/j.nanoen.2023.108860