Robert Klatt
Ein adaptiver Dachziegel kann mit einem integrierten Wachsmotor seine Oberfläche verändern. Dies reduziert den Energiebedarf von Heiz- und Kühlsystemen deutlich.
Santa Barbara (U.S.A.). In den U.S.A. entfallen etwa 50 Prozent des Energiebedarfs eines typischen Gebäudes auf die Heizung und Klimaanlagen. Laut einer Studie der Universität Venedig ist es wahrscheinlich, dass der Energiebedarf aufgrund des Klimawandels weiter zunimmt. Forscher suchen deshalb noch neuen Heiz- und Kühltechnologien mit einem geringeren Energiebedarf, darunter etwa ein neues Kühlsystem auf Basis des elektrokalorischen Effekts, das kürzlich Forscher des Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST) entwickelt haben.
Wissenschaftler der University of California, Santa Barbara (UCSB) um Charlie Xiao haben nun einen adaptiven Dachziegel präsentiert, der die Kühlkosten im Sommer und die Heizkosten im Winter ohne den Einsatz von Elektronik deutlich reduzieren kann.
„Er wechselt je nach Temperatur des Ziegels zwischen einem Heiz- und einem Kühlzustand. Die Zieltemperatur liegt bei etwa 18 Grad Celsius.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Device ist der innovative Dachziegel etwa zehn Zentimeter groß und besitzt eine Oberfläche, deren thermischen Eigenschaften sich bei unterschiedlichen Temperaturen ändern kann.
Der adaptive Dachziegel basiert auf einem Wachsmotor, bei dem Temperaturveränderungen zu Volumenänderung des Wachses führen, die wiederum Druck erzeugen und dadurch mechanische Teile bewegen. Der Wachsmotor wandelt also thermische Energie in mechanische Energie um.
Bei dem Dachziegel verschiebt der Wachsmotor je nach Temperatur Kolben, die Lamellen auf der Oberfläche öffnen und schließen. Ist die Temperatur niedrig, wird das Wachs fest und die Lamellen sind geschlossen. Dies dadurch freigelegte Oberfläche kann Sonnenlicht gut absorbieren und wärmt dadurch das Gebäude.
Wenn eine Temperatur von 18 Grad Celsius erreicht wird, schmilzt das Wachs und dehnt sich aus. Dies öffnen die Lamellen und legt eine Oberfläche frei, die das einfallende Sonnenlicht reflektiert und dadurch das Gebäude kühlt. Hinzukommt, dass das Wachs beim Schmelz- oder Gefrierprozess Wärme freisetzt und dadurch die Temperatur des Gebäudes stabilisiert.
„Wir haben also ein sehr vorhersehbares Schaltverhalten, das innerhalb eines sehr engen Bereichs funktioniert.“
In Experimenten konnte der adaptive Dachziegel den Energiebedarf der Kühlung um das 3,1-fache und der Heizung um das 2,6-fache reduzieren. Elektronik, Batterien oder externe Stromquellen sind dank des Wachsmotors nicht erforderlich. Außerdem ist laut den Forschern dank des simplen Designs eine Anpassung an unterschiedliche thermische Beschichtungen leicht möglich. Wie Elliot Hawkes erklärt, ist deshalb prinzipiell auch eine industrielle Massenproduktion denkbar.
„Das Gerät ist noch ein Proof-of-Concept, aber wir hoffen, dass es zu neuen Technologien führen wird, die eines Tages einen positiven Einfluss auf den Energieverbrauch in Gebäuden haben könnten.“
Device, doi: 10.1016/j.device.2023.100186