Selbstfahrende Fahrzeuge

Autonomes Fahren: Gemeinsamkeiten und Unterschiede von PKW und LKW

Dennis L.

PKW und LKW teilen sich die Straße. In Sachen autonomes Fahren trennt jedoch vieles beide Fahrzeugklassen – mehr, als sie miteinander verbindet. )kcotS ebodAsnoitcudorP otnaveJ(Foto: © 

PKW und LKW sind beides Klassen von Straßenfahrzeugen. Auch beim Thema autonome Mobilität gibt es daher technische und praktische Gemeinsamkeiten. Ebenso lässt sich jedoch längst nicht alles 1:1 übertragen – das ist nicht zuletzt wichtig für die Einführungshorizonte der unterschiedlichen Autonomiegrade.

Düsseldorf (Deutschland). 2035, wenn nach derzeitigen Plänen in der EU die letzten Verbrenner-Fahrzeuge mit fossilen Treibstoffen neuzugelassen werden können, wird jedes dritte Fahrzeug auf Level 3 autonom fahren können. Bei Privatfahrzeugen wird der Markt dann sogar von Level 4 dominiert. Das berichtet eine aktuelle McKinsey-Studie, die anlässlich der 2023er Consumer Electronics Show in Las Vegas erstellt wurde.

2035 wird also ein erheblicher Teil aller Fahrzeuge in vielen Situationen völlig ohne Fahrer auskommen, wenngleich dieser noch anwesend und eingriffsbereit sein muss. Ferner wird es (ein Teilbereich des Autonomiegrades 4) möglich sein, Fahrzeuge ferngesteuert zu lenken, wenn die autonomen Fähigkeiten für bestimmte Fahrsituationen nicht ausreichen.

Die automobile Zukunft wird also zweifelsfrei autonom sein. Allerdings werden dabei jedoch LKW und PKW derzeit oftmals gleichbedeutend thematisiert. Das hingegen ist schwierig und oftmals falsch. Denn was die verschiedenen Bedingungen und Realitäten eines autonomen Betriebs betrifft, unterscheiden sich beide Fahrzeugklassen ganz erheblich voneinander. Das gilt selbst dann, wenn es manche Gemeinsamkeiten und dadurch nicht zuletzt mögliche Synergieeffekte bei der Entwicklung gibt.

1. Autonome Fahrzeuge: Die Gemeinsamkeiten von PKW und LKW

Sowohl LKW als auch PKW sind mehrachsige, mit ähnlichen Motoren angetriebene Fahrzeuge, die primär für den Verkehr auf festen Straßen konzipiert wurden. Dadurch bestehen selbst unter der Voraussetzung des autonomen Fahrens verschiedene (nahezu) deckungsgleiche Realitäten und Notwendigkeiten:

  • Für beide Fahrzeugarten sind grundsätzlich die gleichen Herangehensweisen mit sehr ähnlichen Sensoren, Aktoren und Systemen zur Kommunikation zwischen den Fahrzeugen nötig. Eine Sensortechnik, die beispielsweise ein SUV sicher autonom über eine Autobahn lenken kann, ist deshalb prinzipiell ebenso befähigt, dies bei einem LKW zu tun.
  • Beide Fahrzeugarten sind im Alltag mit vielen deckungsgleichen Verkehrssituationen konfrontiert.
  • Die Gewichte mögen sich zwar erheblich unterscheiden, dennoch stellen beide Fahrzeuge bei Unfällen enorme Risikofaktoren dar, die entsprechend vermindert werden müssen – etwa, was Sensorreinigungssysteme anbelangt.
  • Zwar unterscheiden sich sowohl die Details der Fahrerlaubnisprüfungen und ebenso die rechtlichen Grenzen im Betrieb. Dennoch gelten die allermeisten Gesetze (etwa Straßenschilder und Höchstgeschwindigkeiten abseits von Autobahnen) für PKW wie LKW gleichermaßen.

Das bedeutet, prinzipiell ist es bei der Entwicklung von Lösungen für die autonome Mobilität möglich, sozusagen zweigleisig zu fahren. Dennoch: Weder, was die Anforderungen an autonome Mobilität als solche anbelangt, noch, was die Verbreitung in einigen Jahren anbelangt, können PKW und LKW „in einen Topf geworfen“ werden. Hierzu sind schlicht zu viele bedeutende Unterschiede, respektive der jeweiligen Fahrzeugklasse zugehörige Eigenheiten zu beobachten.

2. Autonome Fahrzeuge: Die Besonderheiten und Eigenständigkeiten von LKW

Der wohl schwerwiegendste Unterschied zwischen LKW und PKW besteht darin, dass letztere für den Personentransport optimiert sind, während bei ersteren der Fahrer oft die einzige Person an Bord ist. Schon das bedeutet aus Sicht des autonomen Fahrens eine völlig andere Herangehensweise. In der Praxis sind es jedoch noch sehr viel mehr maßgebliche Eigenschaften, die hier betrachtet werden müssen. Tatsächlich müssen deshalb verschiedenste Faktoren gleichermaßen stimmen, bis eine erhebliche Anzahl der straßengebundenen Logistik autonom unterwegs ist:

  • Selbst in einem Transitland wie Deutschland sind sogar zu Stoßzeiten niemals so viele LKW wie PKW unterwegs (täglich 1,3 Millionen vs. deutlich zweistellige Millionenzahlen). Ebenfalls ist die Modellvielfalt geringer. Einerseits lassen sich autonome Fahrsysteme deshalb grundsätzlich schneller bei einem großen Prozentsatz einführen. Andererseits ist es schwieriger, eine Rentabilität der Systeme über reine Stückzahlen zu garantieren.
  • Die allermeisten LKW fahren ausschließlich gewerblich. Dadurch muss sich jede (kostenbeeinflussende) Verbesserung rentieren. Autonomes oder ferngesteuertes Fahren könnte durch die Reduktion der Personalkosten hier ein sehr starker Motivator sein. Nicht zuletzt könnte Vollautonomie einen 24/7-Betrieb ohne jegliche Ruhezeiten gestatten.
  • LKW fahren typischerweise stets mit Anhänger/Auflieger. Außerdem sind ihre Abmessungen und Gewichte erheblich größer als selbst bei sehr großen PKW. Dadurch sind sie weniger wendig und reaktionsschnell. Autonome Steuerungssysteme müssen daher deutlich leistungsfähiger sein.
  • Bei Lastern auf Autobahnen mit ihren oft über hunderte Kilometer gleichbleibenden Routen ist es ungleich leichter, im Convoy zu fahren. Autonome Systeme würden diese kraftstoffsparende (Stichwort Windschatten) Herangehensweise äußerst sicher machen. Etwa, indem das vorausfahrende Fahrzeug beispielsweise bei Bremsmanövern alle Nachfolger zum Bremsen animieren kann.
  • Auch aus regulatorischer Sicht können LKW nicht auf allen Routen fahren, die für PKW freigegeben sind. Die Systeme müssen daher besonders effektiv dazu in der Lage sein, entsprechende Routen zu planen und abzufahren.
  • Viele, wenngleich nicht alle, Routen, die LKW typischerweise abfahren, sind hinsichtlich der Anbindung von unverzichtbaren Kommunikationssystemen einfacher zu handhaben: Autobahnen, autobahnähnliche Bundesstraßen und häufig Gewerbegebiete. Selbst unter der Prämisse einer schwierigeren Bedienbarkeit dürfte es daher leichter, günstiger und schneller sein, alle hauptsächlich LKW-relevanten Routen mit der nötigen Kommunikationstechnik (primär redundante 5G-Netze) auszustatten als alle generell automobiltauglichen Routen. Bis Ende 2024 sollen alle Autobahnen und Bundesstraßen so ausgerüstet sein.
  • Speziell im Fernverkehr ist das Grenzüberschreiten Usus. Deutlich stärker als bei PKW. Daher müssen und werden sich Anstrengungen zu einer internationalen Harmonisierung der Vorgaben und technischen Möglichkeiten auf den Güterverkehr fokussieren.
  • Aufgrund der enormen Kilometerleistungen werden LKW im Durchschnitt deutlich häufiger neu beschafft. 2022 waren in Deutschland zugelassene Lastwagen im Schnitt 8,5 Jahre alt, PKW hingegen 10,1 Jahre.
  • Nicht zuletzt haben LKW, vor allem im Schwertransport, bereits eine lange Geschichte von einzelnen, gesetzlich vorgeschriebenen Techniken der niedrigeren Assistenzgrade vorzuweisen. Schon seit Ende 2013 wurden beispielsweise Notbremsassistenten hier verpflichtend und bis 2018 rollend eingeführt. Bei PKW ist dieser Assistent a) nur für bestimmte Fahrsituationen vorgeschrieben und b) erst seit Sommer 2022.

Anders formuliert: Für LKW und deren Betreiber wären hohe Autonomiegrade nicht bloß angenehm, sondern würden die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich erhöhen. Zudem könnten Lastkraftwagen aufgrund ihrer insgesamt geringeren Anzahl und allgemeinen Betriebsparameter zielgerichteter mit autonomer Technik versehen werden.

Wenn ein LKW beispielsweise nur schon sämtliche Autobahnen, autobahnähnliche Bundes- und Landstraßen vollautonom fahren kann, dann wäre ein Großteil der Routen bereits abgedeckt. Aus all diesen Gründen dürfte der Güterverkehr tendenziell derjenige sein, der, wenn nicht zwingend generell früher, so doch wenigstens früher zu einem hohen Prozentsatz autonom unterwegs sein wird.

Anders sieht es insbesondere bei privaten PKW aus. Sie weisen einige Eigenständigkeiten auf, durch die in der Breite wohl noch länger herkömmliche, teilautonome und vollautonome Fahrzeuge parallel operieren werden.

3. Autonome Fahrzeuge: Die Besonderheiten und Eigenständigkeiten von PKW

PKW-Besitz und -Fahrerlaubnisse sind in der Bevölkerung deutlich weiter verbreitet als LKW. Daraus jedoch abzuleiten, der PKW-Markt wäre prädestiniert dafür, um hier autonomes Fahren der höheren Grade zuerst zu etablieren, ist jedoch falsch. Dagegen sprechen verschiedene Realitäten dieser Fahrzeuge. Neben dem Gegenteil vieler Faktoren aus dem vorherigen Kapitel gehört hierzu vor allem:

  • Ein Großteil aller PKW wird ausschließlich privat bewegt. Dadurch besteht hier ein völlig anderes Verhältnis zu Techniken, welche den Kaufpreis erhöhen – hochautonomes Fahren dürfte zweifellos sehr große Kosten verursachen. Gleichsam gibt es hier im Privatbetrieb kaum Möglichkeiten, derartige Kosten wieder „einzufahren“. Autonomie im PKW-Bereich ist daher hauptsächlich eine Komfortoption.
  • PKW müssen aufgrund der extrem diversifizierten Besitzerstruktur für eine enorme Menge an Routen und Umgebungen ausgelegt werden. Einen 40-Tonner-LKW wird man beispielsweise in Innenstädten kaum finden; PKW hingegen zuhauf. Dadurch sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Fahrautonomie-garantierenden Systeme ungleich größer.
  • Der Personenkraftverkehr ist durch eine ungleich größere Fahrzeugklassen-, Hersteller- und Modellvielfalt gekennzeichnet. Dadurch dürfte es deutlich schwieriger sein, Systeme zu entwickeln, die in einer breiten Masse von Modellen eingesetzt werden können.

Vieles spricht zwar dafür, dass PKW nicht wesentlich später vollautonom fahren werden können als LKW. Allerdings wird es hierbei erfahrungsgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem ebensolchen Trickle-Down-Effekt kommen, wie bei früheren technischen Neuheiten.

Ende 2022 etwa bekamen Bosch und Mercedes-Benz als erste Hersteller vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Erlaubnis, Serienfahrzeuge mit einer fahrerlosen Parkfunktion gemäß Autonomiegrad 4 zu bauen. Jedoch erhalten derzeit nur S- und EQS-Klasse diese Funktion.

Ganz ähnlich wird es höchstwahrscheinlich mit weiteren vollautonomen Techniken geschehen: Diese werden zunächst in Oberklassefahrzeugen veröffentlicht werden. Bis sie selbst in die untersten Klassen durchgesickert sind, werden einige Jahre vergehen. Zudem basiert PKW-Fahren weitgehend auf Freiwilligkeit. Einen solchen Druck wie in der LKW-Branche, wo vollautonome Fahrzeuge das wirksamste Mittel gegen den anderweitig unlösbar erscheinenden Fahrermangel darstellen, gibt es für PKW-Hersteller nicht.

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