Experiment in der Wüste Gobi

China startet bald ersten Thorium-Reaktor der Welt

Robert Klatt

Thorium-Reaktor in der Wüste Gobi )Chinese Academy of Sciences(Foto: © 

China startet bald den ersten Flüssigsalzreaktor der Welt. Die Technik hat große Vorteile gegenüber herkömmlichen Atomkraftwerken und soll in andere Länder exportiert werden.

Shanghai (China). Laut den Plänen der chinesischen Regierung soll das Land bis 2060 klimaneutral werden. Neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien, etwa mit dem größten Windkraftwerk der Welt und einem Solarpark in der Wüste Gobi, sollen dazu auch neue Atomkraftwerke entstehen. China kündigte deshalb bereits 2021 die Inbetriebnahme des ersten Flüssigsalzreaktors der Erde an.

Wie die South China Morning Post (SCMP) berichtet, wird der Thorium-Reaktor TMSR-LF1 Nordwesten Chinas, in der Wüste Gobi, zeitnah in Betrieb gehen. Die chinesische Atomenergie-Aufsichtsbehörde hat die dazu notwendige Genehmigung für einen Zeitraum von zehn Jahren erteilt.

Thorium-Reaktor mit 2 Megawatt Leistung

Der Thorium-Reaktor des Shanghai Institute of Applied Physics (SINAP) hat eine Leistung von 2 Megawatt. Ein mittleres herkömmliches Atomkraftwerke, wie das Kernkraftwerk Emsland, hat eine Leistung von etwa 1.400 Megawatt. Es wird somit deutlich, dass der weltweit erste Thorium-Reaktor primär zu Forschungszwecken und nicht zur Stromproduktion dient. Die mit ihm gewonnenen Erkenntnisse sollen laut dem SINAP bei der Entwicklung leistungsstärkerer Flüssigsalzreaktoren helfen.

Im Jahr 2011 fiel der Startschuss für das Projekt, dessen konkrete bauliche Umsetzung dann sieben Jahre später, 2018, eingeleitet wurde. Ursprünglich war die Dauer der Bauphase auf einen Zeitraum von 6 Jahren ausgelegt. Überraschenderweise gestalteten sich die Arbeiten jedoch effizienter als antizipiert, sodass die Fertigstellung von TMSR-LF1 bereits nach einem Zeitraum von 3 Jahren vermeldet werden konnte. Im Anschluss daran wurde der Flüssigsalzreaktor einer umfassenden Prüfung durch die zuständigen Behörden unterzogen, die insgesamt zwei Jahre in Anspruch nahm.

Annäherung an den kritischen Zustand

Gemäß den Anforderungen der Behörde sind nach der erstmaligen Befüllung des Reaktors mit Brennstoff zahlreiche relevante Prüfungen durchzuführen. Ein wesentlicher Teil davon ist das Heranführen an den sogenannten kritischen Zustand. Dieser Zustand ist für einen Nuklearreaktor die Betriebsnorm, in der eine nukleare Reaktion als Kettenreaktion selbsttragend abläuft. Dieses Level zu erreichen ist entscheidend für das Inbetriebnehmen des Reaktors und der Ablauf muss mit besonderer Sorgfalt durchgeführt werden, um einen sicheren Betrieb zu garantieren.

Es sind jedoch auch weitere Tests erforderlich, bei denen der Reaktor bewusst während des Betriebs abgeschaltet oder seine Leistung auf weniger als 90 Prozent der maximalen Kapazität reduziert wird. Durch diese Maßnahmen wird sichergestellt, dass die Sicherheitsmechanismen in einer unkontrollierten Situation korrekt reagieren.

Thorium-Reserven für 20.000 Jahre

Thorium ist auf unserem Planeten etwa dreimal häufiger anzutreffen als Uran und dessen Menge steht dem natürlichen Vorkommen von Blei gleich. Laut Schätzungen aus China besitzt das Land genügend Thoriumreserven, um den vollständigen Energiebedarf der Nation für einen Zeitraum von 20.000 Jahren abzudecken.

Ein weitere Vorteil von Flüssigsalzreaktoren ist die deutlich geringere Menge an Atommüll. Laut Physikern des SINAP verursacht der Thorium-Reaktor etwa 1.000-mal weniger strahlenden Abfall als ein vergleichbarer herkömmlicher Reaktor. Zudem strahlt der Atommüll eines Thorium-Reaktors nur einige hundert Jahre und nicht wie bei Uran mehr als 10.000 Jahre.

Export der Technik

China hat Ambitionen, die Thorium-Reaktoren in den internationalen Markt zu bringen. Dies könnte vorwiegend Ländern Vorteile bieten, deren niedriger Energiebedarf momentan noch durch Kohlekraftwerke gedeckt wird. Auch in Regionen, die nicht über die nötigen Kapazitäten oder geografische Voraussetzungen für effiziente erneuerbare Energien verfügen, könnten diese Thorium-Reaktoren eine attraktive Alternative zu Kohlekraftwerken darstellen.

Ein solcher Export von Reaktoren würde nicht nur die Finanzen Chinas stärken, sondern auch eine gewisse Abhängigkeit dieser Länder von China schaffen, beispielsweise durch Verträge zur Wartung und Instandhaltung. Auf geopolitischer Ebene könnte China auf diese Weise potenzielle Verbündete gegen die USA gewinnen. Aus wirtschaftlicher Sicht könnte China durch Handelstauschaktionen Zugang zu den Rohstoffreserven dieser Länder erhalten, welche für die chinesische Industrie von entscheidender Bedeutung sind.

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