Dennis L.
Der digitale Staat als Begriff ist heutzutage noch schwer greifbar. Doch was nach Utopie klingt, befindet sich bereits in vollem Gange. Eine aktuelle Studie wollte daher wissen, ob das sogenannte „E-Government“ den Deutschen eher Angst macht oder positiv assoziiert wird. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend.
In vielen Sci-Fi-Filmen oder -Büchern ist der digitale Staat ein echtes Schreckensszenario. Es geht um flächendeckende Überwachung oder die Übernahme der Herrschaft durch künstliche Intelligenz. In der Realität handelt es sich bei der Digitalisierung des Staates aber vor allem um eine formelle Entwicklung. Ziel ist also, sämtliche staatliche Dienstleistungen zu digitalisieren, damit diese zusätzlich oder ausschließlich zum persönlichen Erscheinen zukünftig auch online erledigt werden können. Als „E-Government“ wird dieser digitale Staat bezeichnet und die Frage lautet derzeit nicht, ob er kommen wird, sondern wann?
Die technologischen Möglichkeiten, um beispielsweise Steuererklärungen online einreichen oder Ummeldungen nach einem Umzug über das Internet erledigen zu können, sind schon seit mehreren Jahren gegeben. Genutzt werden sie allerdings kaum. Es gibt beispielsweise die Möglichkeit zur sogenannten eID im Personalausweis oder zur Nutzung des Portals ELSTER für die eigenen Steuerangelegenheiten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Durch die Digitalisierung der staatlichen Dienstleistungen könnte nicht nur eine Menge Papier gespart werden, sondern vor allem Zeit. Die Bürger müssen also nicht mehr für jede Angelegenheit persönlich bei der zuständigen Behörde erscheinen, was aufgrund der begrenzten Öffnungszeiten für Berufstätige oft schwierig ist. Sie können ihr Anliegen stattdessen zeit- sowie ortsunabhängig von zu Hause aus erledigen und sparen sich dadurch auch noch die Fahrtkosten. Eigentlich ist der digitale Staat in diesem Form aus der Perspektive der Bürger also wünschenswert, mag man meinen. Trotzdem schreitet die Entwicklung nur langsam voran.
Klar scheint zu diesem Zeitpunkt also zwar, dass der digitale Staat kommen wird – zumindest, was das E-Government betrifft. Abzugrenzen ist dieses Szenario also von den Sci-Fi-Visionen aus Filmen, Büchern & Co. Wann es so weit sein wird, scheint zum Status Quo aber noch unklar. Zwar gibt es einige Angebote wie das bereits erwähnte ELSTER, jedoch nutzten im Jahr 2019 nur rund 48 Prozent der Deutschen solche digitalen Dienstleistungen der staatlichen Behörden, so das Ergebnis des „eGovernment Monitors 2019“. Seit dem Jahr 2012 liefert die fortlaufende Studie jährlich Daten zum Fortschreiten der Digitalisierung im staatlichen Bereich. Seither hat Deutschland den internationalen Anschluss noch nicht geschafft.
Ein Aufwärtstrend ist demnach zwar erkenntlich, denn im Vorjahr lag die Nutzung nur bei 40 Prozent, allerdings liegt Deutschland im Gesamtindex lediglich auf Rang 24 und damit weit unter dem Durchschnitt der EU. Die Politik versucht nun, die Digitalisierung durch das sogenannte Onlinezugangsgesetz zu fördern, dessen Regelungen bis zum Jahr 2022 umgesetzt werden müssen. Doch solange die Ursachen für das zögerliche Vorankommen der Digitalisierung des Staates nicht geklärt sind, können auch keine nennenswerten Fortschritte erwartet werden.
Bei einem Blick auf die Nutzungszahlen entsprechender Angebote drängt sich die Frage auf, ob die Bürger überhaupt eine digitale Verwaltung wünschen. Vielleicht sind es ja doch die Horrorszenarien aus Hollywood, welche eine negative Assoziation des digitalen Staates und somit eine Hemmnis in der Bevölkerung hervorgerufen haben, seine innovativen Möglichkeiten zu nutzen. Mit diese Frage hat sich jedenfalls die „Big-Data-Analyse zu E-Government“ auseinandergesetzt, welche im Jahr 2018 von der Initiative D21 durchgeführt wurde.
Die Antwort lautet: Nein, E-Government wird in Deutschland weder bewusst noch unterbewusst negativ assoziiert. Im Gegenteil wird die fortschreitende Digitalisierung sogar positiv wahrgenommen, allerdings sind die Bürgerinnen sowie Bürger schlichtweg nicht zufrieden mit dem jetzigen Stand des digitalen Staats. Die Verwaltungsleistungen sowie Online-Erreichbarkeit werden als unzureichend empfunden. Zudem wissen viele der Befragten schlichtweg nicht, dass oder wie sie digitale Verwaltungsdienstleistungen nutzen können. Weitere Hürden sind die Notwendigkeit von zusätzlicher Hardware, die Unübersichtlichkeit vieler digitaler Angebote sowie die mangelnde Durchgängigkeit bei der Abwicklung der Angebote. Alles in allem, wird das E-Government in der deutschen Gesellschaft also überraschend positiv assoziiert. Überraschend deshalb, weil die Nutzung dennoch so gering ausfällt.
Wenn also keine negativen Assoziationen eines digitalen Staats bei der Bevölkerung die Ursache für das langsame Voranschreiten der Digitalisierung sind – welche sind dann die wahren Gründe? Auch hier hat die „Big-Data-Analyse zu E-Government“ bereits einen ersten wichtigen Hinweis geliefert: Die geringe Bekanntheit der digitalen Angebote in der Bevölkerung ist dabei nicht unerheblich. Obwohl sich also viele Deutsche eine digitale Verwaltung wünschen, verfolgen sie den Fortschritt nicht aktiv. Sie wissen also nicht, welche Leistungen sie bereits online in Anspruch nehmen können – und nutzen sie dementsprechend auch nicht. Was die Behörden daraus lernen können, ist:
Zudem ist die Digitalisierung selbst natürlich noch nicht abgeschlossen, sondern viele Verwaltungen befinden sich noch inmitten des Umbruchs und dabei fehlt es häufig am notwendigen Knowhow.
Ein genauerer Blick auf die Ursachen, weshalb der digitale Staat in seiner Entwicklung so langsam vorankommt, führt also zur Verwaltung selbst. Hier fehlt es nämlich vielerorts an internem Knowhow, beispielsweise im technologischen Sinne oder hinsichtlich des Marketings. Es gilt also, sich dieses Wissen anzueignen, beispielsweise über entsprechende Fachzeitschriften, zum Thema, oder externe Experten zu beauftragen, um die Digitalisierung in die richtige Richtung zu lenken sowie zu beschleunigen. Sparmaßnahmen sind hier hingegen an der falschen Stelle getätigt, denn die Förderung von digitalen Dienstleistungen ist für die Zufriedenheit der Bürgerinnen sowie Bürger mit der Verwaltung essentiell, wie die Big-Data-Analyse gezeigt hat.
Die Frage, ob der digitale Staat in Deutschland kommen wird, lässt sich also mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Er ist sogar schon da, befindet sich aber noch in der Entwicklung und die neuen Möglichkeiten werden von der Gesellschaft bislang kaum genutzt. Zudem muss eben klargestellt werden, dass es sich beim E-Government keinesfalls um Sci-Fi-Visionen handelt, sondern um eine Erleichterung der Behördengänge, indem diese zukünftig bestenfalls ausschließlich online getätigt werden können – sprich zeit- sowie ortsunabhängig und ohne dafür zusätzliche Hardware zu benötigen.
Die Steuererklärung online einreichen, sich nach einem Umzug online ummelden, Bauanträge online stellen…diese und viele weitere Szenarien sind bereits jetzt teilweise möglich und sollten in absehbarer Zukunft das neue Normal darstellen. Die Bürgerinnen und Bürger wünschen sich das jedenfalls, wie der Blick auf die aktuelle Studienlage bewiesen hat. Allerdings ist die Verwaltung sowohl technologisch als auch soziologisch noch nicht auf dem neuesten Stand der Zeit angekommen. Soziale Netzwerke werden kaum oder überhaupt nicht genutzt und viele Deutsche wissen demnach gar nicht, dass sie gewisse Behördengänge mittlerweile nicht mehr persönlich oder postalisch erledigen müssen. Die mangelnde Aufklärung lässt sich abschließend als Hauptursache festhalten.
Während der digitale Umbruch in vielen anderen Lebensbereichen also bereits zu großen Veränderungen geführt hat, erscheint der digitale Staat tatsächlich noch als Zukunftsvision. Dabei befindet sich dessen Umsetzung bereits in vollem Gange. Spannend bleibt, wann dieser auch in der Bevölkerung bekannt sowie akzeptiert ist – und in welche Richtung die zukünftigen Entwicklungen noch gehen werden. Die Studien werden jedenfalls weitergeführt und somit auch in den kommenden Jahren spannende Erkenntnisse rund um das E-Government liefern...