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Erste Kontakte mit dem Sportstadion der Zukunft

Dennis L.

Sportstadien sind heute schon hochmoderne Hightech-Arenen )moc.eboda.kcotsoidutS acirfA(Foto: © 

Damals wie heute und wohl auch übermorgen werden Menschen Bällen hinterherlaufen. Doch der Austragungsort dafür ist schon heute ein technisches Glanzstück mit enormen Anforderungen, aktuell bestens sichtbar in London.

Eine Milliarde Pfund, 1,11 Milliarden Euro. Mit diesem Geld könnte man die Haushaltslöcher kleinerer Länder stopfen. Man könnte zum Ein-Tausendstel-Anteilseigner von Amazon werden. Oder man könnte ein zeitgenössisches Fußballstadion errichten. Denn das ist der Preis, der dafür derzeit aufgerufen wird – bewiesen beim Tottenham Hotspur Stadium. Die Heimat des gleichnamigen Londoner Erstligisten wurde erst im April 2019 eingeweiht und kostete rund eine Milliarde Pfund. Dafür ist der Neubau aber auch der schlagende Beweis dafür, was Fans heute und in Zukunft erwarten können – etwa in Katar. Der folgende Artikel geht auf diese Besonderheiten des modernen Stadions ein, aber auch die Problemstellungen.

1. Die Evolution ist notwendig

Die Kritik an Technisierung und Monetarisierung im Sport ist nicht neu. Und sie erstreckt sich auch auf die Stadien. Nicht wenige fragen, warum die Arenen überhaupt eine hyper-technische Milliardenkonstruktion sein müssen, wenn es doch im Endeffekt nur darum geht, einige zehntausend Menschen einem Sportereignis beiwohnen zu lassen.

Die vielleicht simpelste Antwort stammt vom Architekten des Tottenham-Stadiums, dem Amerikaner Christopher Lee. Er gab sie 2017 dem „Guardian“, als das Stadion noch mit 750 Millionen taxiert wurde:

“It has to provide a reason for people to get off their sofas and leave their 50-inch flatscreen TVs”

Anders formuliert: Stadien müssen mehr sein als bloße Zuschau-Orte. Sie müssen Erlebniswelten werden. Das reine Zuschauen in höchster Auflösung bekommt man dank heutiger Fernsehtechnik, ohne sich dafür aus seiner Wohnung bewegen zu müssen. Es braucht also Anreize, um alljährlich hunderttausende Menschen dazu zu bewegen, in die Stadien zu kommen und dort ihr Geld auszugeben.

Das geht nur durch Superlative. Und es ist sogar ein Muss. Ohne Stadien-Evolution würden immer weniger Menschen vor Ort schauen und vor besagten 50-Zoll-Fernsehern bleiben – und wie sich ein fast leeres Stadion auch auf die Laune an den Fernsehern auswirken kann, ließ sich unlängst bei der Leichtathletik-WM in Katar sehen, wo teils nur wenige Hundert Personen dem Spektakel beiwohnten; auch deshalb nannte Spiegel Online es „...eine bizarre Veranstaltung...“.

2. Problemfall WLAN

Stadien müssen also möglichst viele Raffinessen aufweisen. Doch das echte Zukunfts-Problem findet sich in etwas, das heute abseits des Rasens eigentlich Normalität geworden ist: Mobile Datenübertragung. Schon die größten Stadien Deutschlands sind bei Vollbelegung nicht weit von der Bevölkerungszahl einer (kleinen) Großstadt entfernt – etwa Dortmunds Signal Iduna Park, der rund 81.000 Zuschauer fasst.

All diese Menschen erwarten heute WLAN bzw. schnelles Handynetz. Sie wollen Fotos und Videos vom Spiel auf den sozialen Netzwerken hochladen. Diejenigen, die auf das Spiel wetten, benötigen einen Echtzeit-Zugang zum schnelllebigen und komplizierten Schlüsselsystem der Quoten, damit sie gewinnbringend tippen können. Und nicht zuletzt basieren auf der Kombination von WLAN und Apps auch noch zahlreiche Erlebnis-Optimierungen – etwa das Bestellen von Snacks oder eine Art privater Video-Assistent, mit dem auch die Stadionbesucher strittige Szenen nochmals schauen können.

Die Schwierigkeit darin ist der Datenstau, der auftritt, wenn derart große Menschenmengen gleichzeitig auf nur wenige Zugangspunkte zugreifen – was im Karneval ebenso regelmäßig geschieht wie Silvester schlag Mitternacht noch in jeder Kleinstadt.

Gleichsam jedoch sind Stadien eben im Regelfall nur alle zwei Wochen bei Heimspielen ausgelastet, sodass sich erst dann notwendige Anbindungen an Netzwerk-Knotenpunkte, Dutzende Funkmasten usw. rentieren. Kein Wunder also, dass hier trotz viel Überzeugungsarbeit noch Luft nach oben ist – derzeit haben beispielsweise keine zehn deutschen Erstligisten vollumfängliches WLAN im Stadion und die LTE-Versorgung ist im höchsten Maß Anbieter-abhängig.

In Bremen beispielsweise argumentierte die Politik, dass zwei Millionen Euro, die für die Breitbandleitung und die Zugangspunkte notwendig wären, in keinem Verhältnis dazu stünden, dass nur alle zwei Wochen 40.000 Zuschauer es nutzen würden – auch das ist etwas, gegen das Stadionbauer argumentieren müssen.

3. Autonome Lieferungen für hungrige Besucher

Drohnen sind, je nachdem, wen man fragt, für Fußballstadien entweder eine enorme Bedrohung, gegen die es Waffen braucht – das wäre die Antwort von Sicherheitsexperten – oder eine gewaltige Chance – das sagen Vordenker.

Gute Argumente haben beide Seiten. Doch speziell, wenn man sich die autonomen Fluggeräte als Service-Kraft denkt, erklärt sich rasch, welche Möglichkeiten darin stecken: Es ist beispielsweise erst wenige Jahre her, dass das Football-Team der San Francisco 49ers viel Geld dafür ausgab, tausende Ortungs-Baken im Stadion zu installieren. Der Sinn: Sie sollen den Standort jedes Zuschauers erfassen und ihn basierend darauf per Handy u.a. rechtzeitig zu seinem Platz zurückrufen, um nichts zu versäumen.

Sinnig ist das allemal: die „Katakomben“ der Sportarenen sind schon seit römischen Kolosseums-Zeiten weitläufig und in den Schlangen für Bratwurst und Co. wurden schon so manche wichtigen Momente der Sportgeschichte verpasst.

Doch genau hier könnte die Drohne, die schon für sich zukunftsträchtige Bake schnell wieder ablösen: Indem sie besagte Snacks direkt zum Sitzplatz fliegt; bezahlt wird dann per App. Allerdings ist diese Technik tatsächlich noch Zukunftsmusik, denn noch schwelt der Diskurs zwischen Sicherheitsexperten und Vordenkern – auch wenn erstere natürlich durch die Drohnen-vereinfachte Überwachung von Fanblöcken ebenfalls profitieren könnten.

4. Wandlungsfähig – für die Rentabilität

Die heutigen Preise für Stadien sind auch für reiche Städte, Vereine, Sportverbände kein Pappenstiel – einmal mehr dient hier aber Tottenham als gutes Beispiel.

Dort war früh klar, dass selbst der Premier-League-Fußball nicht die notwendigen Gelder einbringen wird, um die gigantischen Ausgaben in annehmbarer Zeit wieder einzuspielen. Ein Problem, das so bei praktisch jedem neuen Stadion besteht, weil es unmöglich ist, die Eintrittspreise derart zu erhöhen. Schon heute gibt es an den Kartenpreisen sehr viel Kritik.

Tottenham macht sich deshalb eine Technik zunutze, die 2001 in der Schalker Veltins-Arena debütierte: Der gesamte Rasen ist auf einer dreigeteilt-verschiebbaren Unterwanne aufgebaut, die bei Bedarf unter die Tribüne fahren kann, um einen darunterliegenden Zweitboden freizulegen.

Auf Schalke besteht dieser aus Stahlbeton, in Tottenham hingegen aus einem Kunstrasen, der die Abmessungen eines NFL-Feldes hat – der Club hat nämlich mit der nordamerikanischen Football-Liga einen Zehnjahresvertrag für Gastspiele abgeschlossen. Das erste davon fand am 6. Oktober 2019 statt, als die Chicago Bears auf die Oakland Raiders trafen; das zweite Spiel zwischen den Carolina Panthers und den Tampa Bay Buccaneers folgte am 13. Oktober. Zudem wurde der Zweitboden extra so geplant, dass er auch bei Drittverwendungen – etwa Konzerten – keinen Schaden nimmt.

Ergänzt wird diese Wandlungsfähigkeit am Boden bei immer mehr Stadien durch:

  • Rasch verschließbare Dächer
  • Simpel austauschbare Bestuhlung
  • Enorm große Videoleinwände (im Mercedes-Benz Stadium von Atlanta beispielsweise arbeitet seit Neuestem eine 360-Grad-Leinwand)

Damit soll eine maximale Wandlungsfähigkeit erzielt werden, durch die zukünftige Stadien im Idealfall an jedem Wochentag belegt wären – wo Umbauten, etwa für Konzerte, bei älteren Stadien teils Wochen in Anspruch nehmen. Sicher sind tägliche Belegungen eine sehr ambitionierte Vorstellung, aber durch die hohe Flexibilität erstmals nicht mehr völlig unrealistisch. Was allerdings Fans von dem Wunsch mancher Visionäre halten, auch Auswärtsspiele im Heim-Stadion durch Hologramme erlebbar zu machen, dürfte zur Diskussion stehen.

5. Eine Frage der Energie

Allerdings darf bei aller Zukunftsfreude eines nicht vergessen werden, der Energieverbrauch, der bei einem Stadion mit knapp hunderttausend Menschen natürlich beträchtlich ist.

Wo hier das heutige Problem besteht und sich wohl auch gegenüber dem Hintergrund des Klimawandels noch verschärfen wird, zeigte sich abermals bei der Leichtathletik-WM in Katar. Dort war es notwendig, das Stadion zehn Tage lang gegenüber 40°C Außentemperaturen auf 26°C herunter zu kühlen; bei der Fußball-WM 2022 im Golfstaat wird es ähnlich sein.

Natürlich, der Energieverbrauch dafür dürfte, selbst ohne konkrete Zahlen zu kennen, gigantisch sein. Doch wenigstens kommt hier regenerative Energie zum Einsatz. In anderen Ländern kann dies mitunter nicht in dem Ausmaß geschehen – obwohl die beiden Sommer 2018 und -19 zeigten, dass eine Klimatisierung schon für die Sicherheit der Sportler auch in unseren Breiten sinnvoll sein kann; zumal hier konträr dazu oft genug zumindest eine Rasenheizung nötig ist.

Ferner werden die XXL-Leinwände, die geplanten vibrierenden Sitze und tausenderlei andere Verbraucher im Stadion der Zukunft Energie benötigen. Ebenso die Beleuchtung, die in jedem Stadion der größte Einzelposten auf der Stromverbrauchsrechnung sein dürfte – im Dortmunder Signal Iduna Park beispielsweise werden pro Match 10.000kWh Strom benötigt. Mit ein Grund dafür, warum in Tottenham auf LED-Flutlichter gesetzt wird, die im Vollbetrieb „nur“ 450kW benötigen und nicht die knapp 1000 der herkömmlichen Halogenstrahler.

Allerdings: Auch wenn viele Vereine sich einen umweltgrünen Anstrich geben, ist dieser Punkt auf der Zukunfts-Planung längst nicht vollumfänglich geklärt. Architektonische Gedankenspiele für Nullenergie-Stadien gibt es zur Genüge. Doch wird wohl auch die Sportarena der Zukunft nach wie vor energiehungrig bleiben.

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