Robert Klatt
Die Stromversorgung von Estland ist noch immer von Russland abhängig. Ein Small Modular Reactor (SMR) soll dies bis 2025 ändern.
Tallinn (Estland). Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind trotz des Zerfalls der Sowjetunion (UdSSR) vor etwa 30 Jahren noch immer von der Stromversorgung durch Russland abhängig. Dies soll sich laut einer Mitteilung des Unternehmens Tractebel Engineering bis zum Jahr 2025 ändern.
Laut dem estnischen Rundfunk ERR hat das estnische Energieunternehmen Fermi Energia dazu gemeinsam mit dem finnischen Energieunternehmen Fortum und Tractebel Engineering eine Kooperation geschlossen. Das Ziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung und der Bau eines Small Modular Reactor (SMR). Es handelt sich dabei um ein Mini-Atomkraftwerk mit bis zu 300 MW Leistung, dass die Länder ohne CO2-Emissionen mit Strom versorgen könnte.
Herkömmliche Atomkraftwerke der dritten Generation erfordern sehr hohe Investition und eine lange Bauzeit. Der kleine Staat Estland verfügt deshalb noch über kein Kernkraftwerk. Das geplante Mini-Atomkraftwerk soll hingegen deutlich günstiger sein, weil aus standardisierten Modulen besteht, die in einer Fabrik gebaut werden können. Neben den geringeren Kosten spricht auch die höhere Sicherheit für die Nutzung von Small Modular Reactors.
Eine Studie des Beratungsunternehmens Deep Isolation, die im Auftrag von Fermi Energia durchgeführt wurde, zeigt überdies, dass Estlands Geologie geeignete Orte für die Endlagerung von Atommüll bietet. Laut Fermi Energia ist die Entsorgung des strahlenden Mülls ein zentrales Problem, das erst gelöst werden muss, bevor in Estland ein Mini-Atomkraftwerk errichtet werden kann.
Derzeit forschen noch weitere Unternehmen und Staaten an Small Modular Reactors. Bekannte Projekte sind unter anderem Carem-25 (Leistung 27 MW) in Argentinien, ein von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) als Forschungsreaktor bezeichneter SMR-Prototyp und das schwimmende Kernkraftwerk Akademik Lomonossow (Leistung 70 MW), das eine Stadt und Bergwerke in Sibirien mit Strom versorgen soll.
Außerdem soll das US-Militär mobile Atomkraftwerke (bis zu 10 MW) zur Versorgung kleiner Basen, die keinen Anschluss an das normale Stromnetz haben, erhalten.
Ob das geplante Projekt in Estland tatsächlich Strom ohne CO2-Emissionen produziert ist allerdings umstritten. Eine Metastudie der Umweltökonomin Professorin Sigrid Stagl im Auftrag der österreichischen Regierung zeigte kürzlich, dass auch der Betrieb von Atomkraftwerken abseits des Atommülls starke Umweltfolgen auslöst und die weitere Verbreitung erneuerbarer Energien verlangsamt.