Robert Klatt
Das 550.000 Kilometer lange Gasnetz in Deutschland kann auch für den Wasserstofftransport verwendet werden. Die verwendeten Stähle widerstehen der H2-Korrosion und es müssten nur wenige Komponenten ausgetauscht werden.
Bonn (Deutschland). Erdgas ist aktuell in der Industrie und beim Heizen der primäre Brennstoff. In Zukunft könnte grüner Wasserstoff das Gas ersetzen. Dazu muss das sehr flüchtige Gas aber zum Verbrauchsort transportiert werden. Möglich ist dies entweder als Flüssigwasserstoff oder in gebundener Form. Alternativ könnte man Wasserstoff auch durch das ohnehin bestehende Erdgasnetz schicken. Dies wäre deutlich einfacher, schneller und günstiger.
Problematisch dabei ist jedoch, dass Wasserstoff bei vielen Metallen eine Versprödung des Materials und Korrosion verursacht. Es war bisher deshalb unklar, ob die deutschen Gasleitungen beim Kontakt mit Wasser brüchig und rissig werden würden. Dem Erdgas darf somit bislang maximal zehn Prozent Wasserstoff beigemischt werden.
Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e. V. – technisch-wissenschaftlicher Verein (DVGW) hat deshalb gemeinsam mit der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart Open Grid Europe untersucht, wie anfällig die deutschen Erdgasleitungen wirklich sind. Laut der Studie SyWeSt H2 (PDF) entnahmen die Forscher dazu Stahlproben von unterschiedlichen Hochdruck-Pipelines und Verteilerleitungen, darunter auch alte Leitungen aus dem Jahr 1930 und neue Rohre aus modernen Stahlsorten. Die Studie liefert somit einen repräsentativen Querschnitt zu den unterschiedlichen Stahlsorten der deutschen und auch europäischen Rohrleitungen.
In den Tests wurden die Proben in einem Wasserstoffdruck bei 100 Bar unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt. Es wurde so unter anderem untersucht, ob bei einem zuvor erzeugten Riss H2-Korrosion entsteht und ob die Dehnungs- und Druckfestigkeit des Stahls durch den Kontakt mit dem Gas sinken.
Wie Michael Steiner von Open Grid Europe erklärt, verliefen die Tests erfolgreich.
„Für alle in diesem Projekt geprüften Pipeline- und Rohrleitungsstähle liegt eine grundsätzliche Tauglichkeit für den Transport von Wasserstoff vor.“
Es konnten bei geringem Wasserstoffdruck, der in kleineren Verteilerleitungen üblich wäre, keinen negative Veränderungen an den Leitungsmaterialien beobachtet werden. Auch bei Hochdruck-Wasserstoff konnten die untersuchten Stähle die Sicherheitsanforderungen an Bruchfestigkeit und die betriebsbedingte Alterung erfüllen.
Laut Gerald Linke vom DVGW bedeutet dies, dass das bestehende, 550.000 Kilometer lange Gasnetz sich auch für den Wasserstofftransport eignet. Es könnten somit schon bald Millionen Haushalte und Unternehmen mit bestehenden Gasanschlüssen mit Wasserstoff versorgt werden.
„In Leitungsnetzen werden die Rohre auch weiterhin genutzt werden können und nur einzelne Einbauteile oder Stationselemente sind zu ertüchtigen oder auszutauschen.“
Der Austausch einzelner Komponenten würde laut Schätzungen des DVGW in Deutschland Gesamtkosten von rund 30 Milliarden Euro verursachen. Dies ist im Verhältnis zu den Gesamtkosten des Erdgasnetzes, das bisher rund 300 Milliarden Euro gekostet hat, relativ wenig. Laut Prof. Gerald Linke zeigt die Studie somit, dass das Erdgasnetz die Wasserstoff-Zukunft des Landes deutlich vereinfacht.
„Die Forschungsergebnisse sind wegweisend in die Wasserstoff-Zukunft. Von den drei Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette – Erzeugung, Transport und Nutzbarmachung – ist der Transport nun grundsätzlich gelöst. In Leitungsnetzen werden die Rohre auch weiterhin genutzt werden können, und nur einzelne Einbauteile oder Stationselemente sind zu ertüchtigen oder auszutauschen. Das ist volkswirtschaftlich sinnvoll, denn wir können auf eine bestehende Infrastruktur mit einem über viele Jahrzehnte getätigten Investitionsvolumen in Höhe von rund 300 Milliarden Euro zurückgreifen. Die Bundesregierung muss dieses große Potenzial nun nutzen und den Weg in die Wasserstoffwirtschaft ebnen, um ihrem Anspruch an einen beschleunigten Klimaschutz gerecht zu werden.“