Simulationsstudie

Gescannte Dokumente bestehen simulierte Gerichtsverhandlung

Dennis L.

Spannendes Experiment der Universität Kassel: Echte Richter, echte Rechtsanwälte und echte Sachverständige prüfen in simulierten Verhandlungen, ob gescannte Dokumente vor Gericht bestand haben oder ob nur die Originaldokumente als Beweis zugelassen werden. )moc.hsalpsnuzrawhcS oidualC(Foto: © 

Im Rahmen der Digitalisierung kann alleine das Scannen von Rechnungen und anderen Dokumenten den jährlichen Kostenaufwand von rund 6,2 Milliarden Euro auf etwa 3,2 Milliarden Euro senken. Doch wie sieht es mit gescannten Dokumenten in einem Streitfall vor Gericht aus, wenn die Originaldokumente nicht mehr vorhanden sind?

Kassel (Deutschland). Nach aktuellen Zahlen den statistischen Bundesamtes sind in Bundesrepublik Deutschland jährlich rund 35 Milliarden Rechnungen von kleinen sowie großen Unternehmen zu archivieren. Das Scannen der Rechnungen, Bescheide und anderer Dokumente spart den Unternehmen nicht nur physischen Platz, sondern auch bares Geld. So haben Forscher der Universität Kassel errechnet, dass durch das Einscannen und archivieren die jährlichen Kosten von etwa 6,2 Milliarden Euro auf rund 3,2 Milliarden Euro gesenkt werden könnten. Die Rechnung bezieht sich auf das ersetzende Scannen bereits vorhandener Papierdokumente.

Während Unternehmen früher noch mit richtigen Scannern Dokumente digitalisierte, kommen heute mehr und mehr Scanner Apps zum Einsatz. Eine gute Scanner App, installiert auf dem Mobiltelefon oder dem Tablet, beschneidet automatisch den Hintergrund, verbessert die Belichtung und korrigiert sogar den Winkel des Dokuments. Zudem überträgt sie die Daten blitzschnell zum gewünschten Speicherort. Doch was immer mehr Firmen als großen Vorteil sehen, könnte aus Sicht des Rechts durchaus Problemtisch sein.

Können gescannte Dokumente vor Gericht bestehen?

Forscher und Datenexperten haben sich die Frage gestellt, ob ein gescanntes Dokument vor Gericht als Beweis bestehen kann, wenn das Originaldokument nicht mehr existiert. Hierdurch könnte sich durchaus ein Beweisproblem ergeben, weil ein klassischer Urkundenbeweis nicht mehr möglich ist. Dieser ist mit Vermutung zur Echtheit des Dokuments oder der Urkunde, zu deren Inhalt und zu deren Zurechnung zum Aussteller verbunden. Die Vermutung im rechtlichen Sinne kann mit einem elektronischen Dokument aber nicht mehr in Anspruch genommen werden.

Simulierte Verhandlung mit echten Richter, Rechtsanwälten und Sachverständigen

Um eine Antwort auf die Frage zu erhalten, führten die Forscher einen simulierten Rechtsstreit mit echten Richtern, Rechtsanwälten und Sachverständigen durch. Gegenstand der Verhandlung waren gescannte Rechnungen und Belege, von denen es (angeblich) keine Originale mehr gibt. Dazu landeten sieben der Simulationsfälle vor dem Zivilgericht und sieben vor dem Finanzgericht. Hier wurde über den Beweiswert von vielfältigen Dokumenten gestritten, welche von unterschiedlichen Akteuren mit verschiedenen Scannern und Scan Apps erstellt wurden.

Bei der Simulationsstudie handelt es sich um eine wissenschaftliche Methode zur Technikbewertung und Technikgestaltung, die durch die Projektgruppe verfassungsverträgliche Technikgestaltung (provet) der Universität Kassel bereits mehrfach erfolgreich durchgeführt wurde. Die Durchführung solcher aufwendigen Experimente dient dazu, ein einer simulierten Umgebung praxisnahe Erfahrung mit moderner Technik zu sammeln. Dadurch können Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden und die rechtlichen Rahmenbedingungen erprobt werden. Zwar ist das Scannen keine neue Technik mehr und auch Scan-Apps gibt es bereits lange für Android und iOS-Geräte, aber der Umgang mit solchen elektronischen Dokumenten vor Gericht ist immer noch mit großer Unsicherheit verbunden.

Gescannte Dokumente haben den Stellenwert ihrer Papierkopie

Die durchgeführte Simulationsstudie hat gezeigt, dass alle Richter das gescannte Dokument ebenso akzeptieren wie eine Kopie auf Papier. Es zeigte sich jedoch, dass beim Bestreiten oder Zweifeln das gescannte Dokument problematisiert wird. In diesem Fall wurde das gescannte Dokument nicht als untaugliches Beweismittel zurückgewiesen, vielmehr suchte das Gericht nach Anhaltspunkten für dessen Echtheit oder im Umkehrschluss für Verstärkungen der Zweifel.

In einem Fall wurde behauptet, dass das Original gefälscht gewesen sein. Diese Tatsache kann jedoch nicht mehr überprüft werden und so suchte das Gericht nach plausiblen Gründen, warum jemand und mit welchen Mitteln das Dokument hätte fälschen sollen.

Wurde behauptet, dass das Original fehlerhaft oder unvollständig gescannt wurde, so prüfte das Gericht, womit das Dokument gescannt wurde und welche Maßnahmen zur Qualitätssicherung eingehalten wurden. Die Einhaltung der Vorgaben der Richtlinie zum Ersetzenden Scannen (TR-RESISCAN) des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), zum Beispiel Verfahrensvorgaben, Verantwortungszuweisungen oder stichprobenartige Sichtkontrollen, wird der Beweiswert für einen korrekten Scanprozess erhöht. Wenn die Scanner App oder der Scanner zudem nach TR-RESISCAN zertifiziert ist, erhöhte es laut Aussagen der Forscher das Vertrauen des Gerichts signifikant.

So erleichtern elektronische Sicherungsmittel wie eine automatischer Transfernotiz, Signaturen und ein Zeitstempel dem Gericht die Prüfung und können je nach Qualität die Behauptung der Fälschung untermauern oder widerlegen.

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