Robert Klatt
Eine neue Schallfolie kann nahezu alle Oberflächen in einen Lautsprecher verwandeln. Die Technik könnte etwa Noise-Canceling-System in Flugzeugen verwendet werden.
Cambridge (U.S.A.). Wissenschaftler des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben eine hauchdünne und flexible Schallfolie entwickelt, mit der nahezu alle Oberflächen in einen Lautsprecher verwandelt werden können. Der Prototyp ist etwa so groß wie ein Notizzettel, nur ein zehntel Millimeter dick und nur zwei Gramm schwer. Laut den Entwicklern ist die Soundqualität aufgrund der fehlenden Tieftöne zwar nicht auf dem Niveau von HiFi-Lautsprechern, jedoch bereits so gut wie bei herkömmlichen Smartphones.
„Der Lautsprecher sieht aus wie ein schlankes Blatt Papier. Mit elektrischen Kontakten kann er nahezu überall genutzt werden“, erklärt Vladimir Bulović vom Nanostructured Electronics Laboratory. Laut der Publikation im Fachmagazin EEE Transactions on Industrial Electronics wird bei einer Frequenz von einem Kilohertz und Spannungspulsen von 25 Volt eine Lautstärke von 66 Dezibel erreicht. Bei zehn Kilohertz erreicht die Lautsprecherfolie einen Schallpegel von 86 Dezibel. Das entspricht etwa einer normalen Straße. Mit einem Stromverbrauch von nur 100 Milliwatt pro Quadratmeter Schallfolie ist die neue Technik im Vergleich zu herkömmlichen Lautsprechern sehr sparsam.
Die Wissenschaftler um Bulović nutzen zur Herstellung der Schallfolio einen Laser, mit dem sie die einzelnen Folienschichten präzise zuschneiden konnten. Zudem haben sie mit weiteren lithografischen Methoden eine dünne Schicht aus dem Kunststoff Polyvinylidenfluorid (PVDF) auf eine Polyethylenterephthalatfolie (PET) aufgetragen. Die piezoelektrische PVDF-Schicht reagiert auf elektrische Impulse mit mechanischen Bewegungen, die auf die umgebende Luft übertragen werden. Dabei entstehen hörbare Schallwellen.
Um die Schallerzeugung präzise steuern zu können, perforierten die Wissenschaftler die Folie mit winzigen Mikrolöchern, durch die sich der piezoelektrische Kunststoff in nur 15 Mikrometer hohen Kuppeln ausdehnen kann. Jede Kuppel ist dabei eine separate Schallquelle, die einzeln angesteuert werden kann.
Der mehrschichtige Aufbau ermöglicht die Nutzung nahezu aller Unterlagen. Diese beeinflussen den Schall nicht. Bei vorherigen Konzepten für Schallfolien funktioniert die Entkoppelung von der Unterlage kaum. „Die Anwendungsmöglichkeiten für diese Technologie sind nahezu unbegrenzt“, so Bulović. Denkbar ist etwa der Einsatz in flexiblen Stoffen, die sich mit der Schallfolio in Lautsprecher verwandeln lassen. Auch die Erzeugung von Gegenschall, etwa als Noise-Canceling-System in einem Flugzeug, ist denkbar.
Weil die elektrischen Kontakte auch aus transparentem Indiumzinnoxid statt aus Silber hergestellt werden können, sind prinzipiell auch durchsichtige Schallfolien möglich. Zudem lässt sich der Schallpegel und Frequenzbereich leicht über die Größe und Anzahl der Schallkuppeln modifizieren.
EEE Transactions on Industrial Electronics, doi: 10.1109/TIE.2022.3150082