Robert Klatt
Eine Hybridoberfläche mit Makrostrukturen und Graphenoxid verhindert die Frostbildung komplett. Die Beschichtung kann Autoscheiben, Überlandleitungen, Flügel eines Flugzeugs und andere Oberflächen sieben Tage frostfrei halten.
Evanston (U.S.A.). Forscher der Northwestern University (NU) um Kyoo-Chul Kenneth Park arbeiten bereits seit mehreren Jahren an Beschichtungen, die unerwünschten Frost auf unterschiedlichen Oberflächen verhindern sollen.
„Unerwünschte Frostbildung ist ein großes Problem in industriellen, privaten und staatlichen Bereichen. Zum Beispiel führte die Energiekrise in Texas im Jahr 2021 zu einem Schaden von 195 Milliarden US-Dollar, der direkt auf Frost, Eis und extreme Kältebedingungen für mehr als 160 Stunden zurückzuführen ist.“
Entsprechende Beschichtungen sollten laut Park auch bei extremen Umweltbedingungen mehrere Tage halten und simpel zu produzieren sowie aufzutragen sein. Die Forscher haben bereits 2020 entdeckt, dass millimetergroßer Texturen innerhalb einer Oberfläche die Frostbildung um bis zu 80 Prozent reduzieren können. Die Inspiration dafür haben die Wissenschaftler von der Wellenstruktur von Blättern erhalten.
„Auf den konvexen Bereichen eines Blattes bildet sich mehr Frost. Auf den konkaven Bereichen, also den Blattadern, sehen wir viel weniger Frost. Menschen haben dies schon seit Tausenden von Jahren beobachtet. Erstaunlicherweise gab es jedoch keine Erklärung dafür, wie diese Muster entstehen. Wir fanden heraus, dass es die Geometrie ist – nicht das Material –, die das bestimmt.“
Parks Team hat 2020 entdeckt, dass bei Blättern die Kondensation auf den Erhebungen stärker ist als in den Vertiefungen. In den Vertiefungen verdampft das Wasser und es entstehen dadurch kleine frostfreie Bereiche. Die Wissenschaftler haben auf Basis dieser Entdeckung eine Oberfläche mit millimetergroßen Erhebungen und Vertiefungen und kleinen Winkeln dazwischen entwickelt, die bereits einen Großteil der Frostbildung verhindern konnte.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances haben sie diese Oberfläche nun um Graphenoxid in den Vertiefungen erweitert. Die Frostbildung konnte durch die nur 600 Mikrometer dünne Graphenoxidschicht komplett unterbunden werden.
„Graphenoxid zieht Wasserdampf an und bindet Wassermoleküle in seiner Struktur. So wirkt die Graphenoxidschicht. wie ein Behälter, der das Gefrieren des Wasserdampfs verhindert. In Kombination mit der makrostrukturierten Oberfläche konnte das Hybridmaterial auch bei hoher Übersättigung für lange Zeit frostfrei bleiben.“
In Experimenten konnte die neue Anti-Frost-Oberfläche Frostbildung für 160 Stunden zu 100 Prozent verhindern. Superhydrophobe, also wasserabweisende Mittel sowie mit Schmiermitteln versetzte Oberflächen wirken hingegen maximal fünf Stunden und verhindern Frost nur zu fünf bis 36 Prozent. Ein weiterer Vorteil der Oberflächenstrukturierung in Kombination mit der Graphenoxidschicht ist die hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Rissen, Kratzern und Verunreinigungen.
„Die meisten anderen Anti-Frost-Oberflächen sind anfällig für Schäden durch Kratzer oder Verunreinigungen, was die Leistung der Oberfläche mit der Zeit verringert. Unser Anti-Frost-Mechanismus jedoch zeigt eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Kratzern, Rissen und Verunreinigungen, was die Lebensdauer der Oberfläche verlängert.“
Laut den Forschern zeigen die Ergebnisse, dass die Hybridoberfläche mit Makrostruktur und Graphenoxid in unterschiedlichen Anwendungsbereichen verwendet werden kann, darunter nicht nur Autoscheiben. Als Beispiele nennen die Wissenschaftler die Flügel eines Flugzeugs, bei denen Frost den Luftwiderstand erhöht und Gefrier- und Kühlschränke, in denen Frost die Energieeffizienz erheblich reduziert.
„Die Entwicklung neuer Anti-Frost-Techniken ist entscheidend, um kostspielige mechanische Ausfälle, Energieineffizienzen und Sicherheitsrisiken bei kritischen Anwendungen zu verhindern. Es gibt derzeit keinen universellen Ansatz, da jede Anwendung spezifische Anforderungen hat. Während Flugzeuge nur für Sekunden frostresistent sein müssen, können Überlandleitungen in kalten Umgebungen Tage oder Wochen Frostresistenz benötigen. Mit unseren neuen Erkenntnissen könnten wir Überlandleitungen und Flugzeugflügel mit reduzierter Eisadhäsion entwerfen. Solche Änderungen würden die jährlichen Wartungskosten erheblich senken.“
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adq8525