Robert Klatt
In China wurde ein Roboter mit einem lebenden Gehirn aus menschlichen Zellen gebaut. In Zukunft soll die Technik dem Menschen helfen und etwa die Reparatur von Gehirnen ermöglichen.
Tianjin (China). Wissenschaftler der Tianjin University haben einen neuen Roboter mit einem Gehirn aus lebenden Zellen entwickelt. Das Gehirn des Roboters befindet sich in einer Nährflüssigkeit und besteht aus menschlichen Stammzellen, die mit einem Chip kombiniert wurden. In Kombination steuert der elektrische Chip mit dem Gehirnorganoid die Fähigkeiten des Roboters, darunter etwa das Greifen von Gegenständen.
Wie Gernot Müller-Putz von der Technischen Universität Graz (TU Graz) erklärt, ähnelt das System den Implantaten von Neuralink, die bereits testweise in menschliche Gehirne implantiert wurden. Bei dem Roboter wurde aber kein komplettes Gehirn eines Menschen als Bauteil verwendet, sondern die Forscher haben lediglich aus Stammzellen ein sogenanntes Organoid gezüchtet.
Das Organoid des Roboters hat eine ähnliche Struktur wie das menschliche Gehirn, ist aber deutlich weniger komplex. Bisher hat die Medizin Organoide vor allem in der Hirnforschung verwendet, etwa um neue Therapien und Medikamente zu erproben. Innerhalb des Organoids bilden Neuronen Zellverbände, aus denen dann neuronale Netzwerke entstehen, die wie beim Denkorgan des Menschen miteinander interagieren und kommunizieren können.
„Diese Idee ist grundsätzlich nicht ganz neu und wird langsam immer öfter umgesetzt. Solche Netzwerke werden trainiert, damit sie lernen und dann Steuerungsaufgaben übernehmen können.“
Laut Müller-Putz wurden Gehirnorganoide bisher aber noch nicht in Steuersystemen von Robotern verwendet. Die Forschung hat zuvor aber bereits Gehirnorganoide und Chips kombiniert, beispielsweise um die Aktivität von Neuronen in Zellverbänden mit hoher Genauigkeit zu messen.
„Dass man mit dieser Technologie Roboter steuert, scheint neu zu sein. Ich weiß, dass man bereits seit einiger Zeit versucht, wie man künstlich zusammengestellte Neuronen aus echtem biologischem Zellgewebe zu Steuerungsaufgaben von Computern verwenden könnte.“
Die Forscher aus China erklären in ihrer Publikation im Fachmagazin Brain, dass der Roboter unter anderem dabei helfen kann, neurologische Erkrankungen des Menschen besser zu verstehen. Laut ihnen ist es denkbar, dass Organoide in Zukunft dazu verwendet werden können, die Gehirne von Menschen zu reparieren.
„Die Transplantation von Organoiden in lebende Gehirne ist eine neuartige Methode, mit der sich die Entwicklung von Organoiden verbessern lässt. Transplantate verfügen über ein vom Wirt stammendes funktionelles Gefäßsystem und weisen eine fortgeschrittene Reifung auf.“
Müller-Putz hält diese Möglichkeit bisher noch für sehr spekulativ. Er ist jedoch auch der Ansicht, dass die Kombination aus Gehirnzellen und Chips neue Erkenntnisse liefern kann.
„Man könnte damit etwa mehr über das Lernen von Neuronen oder Zellverbänden herausfinden. Auch über die Plastizität des Gehirns könnte man dadurch mehr erfahren.“
Brain, doi: 10.1093/brain/awae150