Robert Klatt
Ein neues „Schleim“-Material, das ausschließlich aus natürlichen Bestandteilen besteht, hat zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten, darunter die Medizin und die Robotik.
Guelph (Kanada). Forscher der University of Guelph (U of G) um Erica Pensini haben ein schleimartiges Material entwickelt, das bei Druckausübung Strom erzeugt. Laut der Publikation im Fachmagazin Journal of Molecular Liquids besteht das neue Material ausschließlich aus natürlichen, körperverträglichen Bestandteilen, darunter vor allem Wasser (90 %) und Ölsäure, die in Olivenöl vorkommt und Aminosäuren, aus denen die Proteine im menschlichen Körper bestehen.
„Mir war es wichtig, ein vollkommen unbedenkliches Material zu entwickeln, das ich bedenkenlos auf meine Haut auftragen würde.“
Wissenschaftler der University of Saskatchewan (USask) haben nun mit der Canadian Light Source (CLS) die potenziellen Einsatzmöglichkeiten des „Schleims“ untersucht. Die CLS ist eine moderne Synchrotronlichtquelle, mit der die Struktur und die Eigenschaften von Materialien auf atomarer und molekularer Ebene analysiert werden können.
„Das Synchrotron ist wie ein Super-Mikroskop. Es ermöglichte uns zu sehen, dass ein angelegtes elektrisches Feld die Kristallstruktur dieses Materials verändern kann.“
Die Analyse des Schleims mit der CLS zeigt, dass das Material auf mikroskopischer Ebene in unterschiedliche Strukturen angeordnet werden kann, etwa wie ein Schwamm, in Schichten wie eine Lasagne oder in einer hexagonalen Form. Laut den Forschern kann diese Eigenschaft dabei helfen, Medikamente gezielt im Körper freizusetzen.
„Man stelle sich vor, das Material beginnt mit einer Struktur, die ein Medikament enthält. Sobald ein elektrisches Feld angelegt wird, verändert sich die Struktur und gibt den Wirkstoff frei.“
Außerdem könnte sich das Material für die Produktion von Wundauflagen eignen, die den Heilungsprozess aktiv beschleunigen.
„Unser Körper erzeugt schwache elektrische Felder, um Heilungszellen zu einer Wunde zu ziehen. Eine Bandage, die dieses elektrische Feld verstärkt, könnte die Wundheilung theoretisch beschleunigen. Sie würde durch natürliche Bewegungen und Atmung aktiviert.“
Neben der Medizin eignet sich das Material auch für die Gewinnung von sauberer Energie. Es könnte in Böden integriert werden. Wenn Menschen darauf gehen, drücken sie das Material zusammen und es wird Strom freigesetzt. Diese Eigenschaft kann auch dafür verwendet werden, eine synthetische Haut für Roboter zu entwickeln, mit denen sie Druck messen können.
Laut Pensini bestehen noch zahlreiche andere potenzielle Anwendungsmöglichkeiten, die erst noch entdeckt werden müssen. Die Marktreife des „Schleim“-Materials ist aber noch nicht erreicht.
Journal of Molecular Liquids, doi: 10.1016/j.molliq.2024.126823