Robert Klatt
5G-Mobilfunknetze könnten durch die Nutzung der 23,8 GHz Frequenz wissenschaftliche Messungen von Astronomen und Meteorologen beeinträchtigen. Aktuell wird noch darüber diskutiert, wie viel Störstrahlung gesetzlich zugelassen werden soll und ob die Nutzung des Frequenzbereichs nur für die Wissenschaft freigegeben wird.
Boulder (U.S.A.). Wissenschaftler warnen in einem Artikel des renommierten Magazins Nature vor den Folgen, die die Einführung des 5G-Mobilfunkstandards auf die Forschung haben könnte. In Deutschland wird das 5G-Mobilfunknetz in den ersten Jahren Frequenzen im Bereich von 3,4 bis 3,8 GHz nutzen. Mittel- und langfristig sind jedoch deutlich höhere Frequenzen nötig, um die gewünschten Datentransferraten der Mobilfunkunternehmen zu erreichen. Während der 5G-Weltfunkkonferenz im Jahr 2015 wurde deshalb eine Nutzung von Frequenzen von bis zu 86 GHz vorgeschlagen.
Laut einigen Wissenschaftlern könnte dies für Interferenzen sorgen, da die 23,8 GHz Frequenz auch in der Astronomie und Meteorologie sowie anderen Forschungsfeldern von großer Bedeutung ist. Aussagekräftige Studien, die die Auswirkungen der Nutzung der Frequenzen für Mobilfunknetze auf wissenschaftliche Einsatzwecke untersucht haben, gibt es bisher nicht.
Da die aktuell betriebenen 5G-Testnetze deutlich niedriger Frequenzen nutzen, sind aktuell noch keine Interferenzen zu befürchten. In Japan, Südkorea und in den USA wird das 28 GHz Frequenzband genutzt, in Europa, China und den USA die 3,5 GHz Frequenz und in China und Japan die 4,5 GHz Frequenz. In den ersten Jahren des öffentlichen 5G-Betriebs ist daher damit zu rechnen, dass ebenfalls diese Frequenzen genutzt werden, bei denen aufgrund ihrer großen Entfernung zur 23,8 GHz Frequenz keine Störungen zu erwarten sind.
Während der 5G-Frequenzauktion in der USA im April 2019 wurden jedoch bereits die Frequenzbänder 24,25 bis 24,45 GHz und 24,75 bis 25,25 GHz versteigert, deren Nutzung möglicherweise wissenschaftliche Messungen einschränken konnte. Unmittelbar betroffen ist die 23,8 GHz Frequenz zwar nicht, Störstrahlung in benachbarte Frequenzbereiche sind jedoch unvermeidlich. Es kommt also aus Sicht der Wissenschaft vor allem darauf an, wie streng die gesetzliche Regulierung bezüglich der Störstrahlung wird. Besonders die US-Regierung sieht hier mit einem Wert, der den europäischen Vorschlag um den Faktor 150 übertrifft, eine äußerst liberale Regelung der Störstrahlung vor. Die World Meteorological Organization (WMO) verlangt einen Wert, der 3000 Mal kleinerer ist als der derzeitige US-Vorschlag.
Als Beispiel für mögliche Beeinträchtigungen nennen die Wissenschaftler das kürzlich präsentierte erste Bild eines schwarzen Lochs, das mit Hilfe von Radioteleskopen erstellt wurde. Radioteleskope nutzen zur Beobachtung des Weltraums jede messtechnische mögliche Frequenz. Aktuell können Radioteleskope, die sich auf der Erde befinden bereits die Frequenzen 0,8 GHz, 1,8 GHz und 2,6 GHz, die aktuell im Mobilfunk genutzt werden, nicht beobachten. Mit der Einführung von 5G kommen zwangsweise weitere Frequenzen dazu, da sich dann nicht mehr von der Erde beobachten lassen.
Die „Verschmutzung“ durch weitere elektromagnetische Wellen sorgen dafür, dass Radioteleskope wie bereits das Hubble-Weltraumteleskop außerhalb der Erde betrieben werden müssen, um Störungen zu vermeiden. Ideal würde sich dafür die erdabgewandte Seite des Mondes eignen, da es dort keine Störungen durch Strahlung von der Erde gibt. Unklar ist noch in welchem Umfang die Nutzung der 23,8 GHz Frequenz Meteorologen in ihrer Arbeit einschränken wird, da auch sie zum Beispiel zu Bestimmung der Konzentration von Wasserdampf in der Atmosphäre Radiowellen nutzen, die von Satelliten erzeugt werden und im selben Frequenzbereich liegen wie die geplanten 5G-Mobilfunknetze.
Über die Nutzung der 23,8 GHz Frequenz wird am 28. Oktober 2019 auf der 5G-Regulierungskonferenz im ägyptischen Scharm al-Scheich beraten.