Robert Klatt
Vibroakustische Metamaterialen können herkömmliche Schallschutzwände verbessern und Anwohner effektiv vor Verkehrslärm schützen. Ein Laborprototyp wird bald in Österreich auf Autobahnen und Schnellstraßen erprobt.
Darmstadt (Deutschland). Lärm durch Autos und Lkw ist für Anwohner von Straßen und Autobahnen ein bedeutender Stressfaktor und kann laut einer Studie des The Maersk Mc-Kinney Moller Institute das Demenzrisiko erhöhen. Herkömmliche Schutzmaßnahmen, also entweder akustische Resonatoren, die den Schall absorbieren oder hohe Schallschutzwände, die die Straßen einschließen, können den Verkehrslärm jedoch nur begrenzt bekämpfen.
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF (Fraunhofer LBF) erproben deshalb gemeinsam mit der österreichische Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFINAG) vibroakustische Metamaterialien, die den Verkehrslärm stark reduzieren können. Die innovativen Materialien kombinieren Leichtbau und einen effizienten Lärmschutz und ermöglichen es sogar Glaswände als gute Schallschutzwände zu verwenden.
In einem Laborexperiment sank die Übertragung von Schall bei einer Glaswand mit den akustischen Metastrukturen um bis zu 20 Dezibel. Bereits ein um sechs Dezibel geringerer Schalldruckpegel wird vom Menschen nur noch als halb so laut wahrgenommen.
Wie alle Metamaterialien sind auch die vibroakustische Metamaterialien keine Materialien im stofflichen Sinn, sondern entstehen durch die Wechselwirkung zwischen einer Struktur und einem Material. Ein herkömmliches Material erhält also durch eine spezielle Struktur neue Eigenschaften und wird dadurch zu einem Metamaterial. Im konkreten Fall haben die Forscher des Fraunhofer LBF eine konventionelle Schallschutzwand aus Glas in eine vibroaktustische Metawand umgewandelt, indem sie auf der Oberfläche winzige Resonatorstrukturen periodisch anordneten.
Bei den Resonatorstrukturen der Metamaterialien ist nicht das Material entscheidend für die Wirkung, sondern wie diese zueinander positioniert sind. Um Lärm zu reduzieren, müssen die Strukturen in Abständen positioniert werden, die kleiner sind als die halbe Wellenlänge der Schallwellen, die reduziert werden sollen.
Bei Verkehrslärm auf Autobahnen liegt die durchschnittliche Frequenz bei etwa 1000 Hertz, was einer Wellenlänge von 34 Zentimetern entspricht. Die Resonatorstrukturen müssen also in einem Abstand von unter 17 Zentimetern auf den Schallschutzwänden positioniert werden. Sie bilden dadurch sogenannte Stopp-Bänder, die die Schallübertragung unterbrechen und die weitere Ausbreitung der Schallwellen verhindern.
Wie die Forscher erklären, ist das vibroakustische Metamaterial ein Schallwandler. Es sorgt also dafür, dass aus den Schallwellen in der Luft Körperschall wird. Diese Körperschallwellen werden dann durch die Schallschutzwand absorbiert. Bei Schwingungen im Auto, bei Erdbeben und bei Trittschall im Wohnhaus tritt dieser Effekt ebenfalls auf.
Weil die Experimente mit den gläsernen vibroakustischen Metaschallschutzwänden erfolgreich verliefen, erfolgt schon bald ein Praxistest auf Österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen. Weil die vibroakustischen Schallschutzwände passiv arbeiten, ist keine Wartung erforderlich. Auch die Lebensdauer ist laut den Wissenschaftlern kein Problem, weil der Schall-Schluck-Effekt von der Struktur und nicht vom Material der Resonatoren abhängig ist. Die Resonatoren können also robusten und witterungsbeständigen Materialien hergestellt werden. Auch eine Nachrüstung bereits bestehender Schallschutzwände mit den Resonatoren ist möglich.