Dennis L.
Russlands Angriffskrieg beschränkt sich zwar in physischer Hinsicht auf die Ukraine. Allerdings lassen sich die Auswirkungen dieser Erschütterung noch bis in deutsche Ladengeschäfte und eCommerce-Websites spüren.
Als die Corona-Pandemie begann, brach die Verbraucherstimmung in Deutschland vor allem im Frühling 2020 erheblich ein. Sie konnte sich allerdings ebenso rasch wieder fangen. Mit Russlands Überfall auf die Ukraine Ende Februar 2022 begann jedoch ein deutlich stärkeres Absinken der Verbraucherlaune, das sich erst in allerjüngster Zeit zu erholen beginnt – jedoch äußerst zögerlich.
Noch eindrücklicher als die allgemeinen Veränderungen des Konsumverhaltens sind jedoch die Auswirkungen auf den Fokus, den die deutschen Verbraucher im Verlauf dieses ersten Kriegsjahres setzten. Hier sehen verschiedene Untersuchungen eine teils drastische Verschiebung gegenüber dem Verhalten der vorherigen Jahre – das selbst unter den Vorzeichen der von den Regierungen erlassenen Corona-Maßnahmen kaum erschüttert wurde.
Wie sich das Verbraucherverhalten verändert hat, ist vielschichtig. Im Kern geht jedoch alles auf eine einzige Tatsache zurück: Preiserhöhungen. Aktuell (Ende Januar 2023) mag sich zwar die Inflationsrate etwas abgeschwächt haben. Tatsächlich jedoch sprechen wir von Werten, die zu den höchsten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs gehören.
Da der vorherige Höchststand aus dem Jahr 1951 bei 7,6 Prozent gelegen hatte, gab es in der bundesdeutschen Geschichte kein anderes Jahr, in dem sich der gesamte Warenkatalog so dramatisch verteuerte, wie anno 2022.
Zumal diese 7,9 Prozent nur der Mittelwert sind. Bei einigen Produkten und Dienstleistungen waren die Werte noch deutlich höher. Im Dezember 2022 waren beispielsweise Strom, Gas und andere Brennstoffe 33,2 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Bei Gemüse waren es 17 Prozent und unter anderem bei Möbeln 9,7 Prozent.
Die Gründe dahinter sind allesamt mit dem Ukraine-Krieg verbunden:
Naturgemäß gibt es noch mehr Gründe, etwa die durch das Thema Erdgas dramatisch gestiegenen Preise für Strom und Wärme. Ferner Preisanstiege bei allen auf das chemische Grundprodukt Erdgas angewiesene Waren – etwa Pflanzen, die Kunstdünger benötigen, der wiederum aus Erdgas hergestellt wird (via Wasserstoff zu Ammoniak).
Auch steht zu vermuten, dass einige Firmen die Preise erhöht haben, obwohl sie ihrerseits nicht oder nur deutlich geringer von Preissteigerungen betroffen sind. Unter dem Strich dieser Rechnung steht jedoch eine Tatsache: Das allgemeine Leben in Deutschland (und vielen anderen Staaten) hat sich dramatisch verteuert. Die Löhne stiegen nicht im gleichen Maß, weshalb viele Menschen nun deutlich stärker aufs Geld schauen müssen – was sich wiederum direkt beim Kaufverhalten bemerkbar macht.
Mit Kriegsbeginn endete vorerst ein langjähriger Boom bei biologisch angebauten, meist zudem saisonalen Lebensmitteln. Hatte der durchschnittliche Marktanteil aller Bio-Lebensmittel sich zuvor jedes Jahr auf zuletzt 6,8 Prozent erhöht, so verzichten mittlerweile viele Verbraucher auf diese besonders teuren Lebensmittel.
Doppelt problematisch: Durch den Krieg wurden viele für Bio-Landwirtschaft nötige Produkte besonders stark verteuert oder sind kaum noch erhältlich, wodurch diese Produktkategorie aufgrund der Preissteigerungen noch unattraktiver wurde.
Allerdings ist die Lage nicht zuletzt deshalb auch interessant, weil die generelle Awareness für qualitativ hochwertige Lebensmittel weiterhin hoch ist. Erkennbar ist dies an den Produkten, auf die Verbraucher ausweichen. Dies sind insbesondere Eigenmarken mit einem guten Preis-Qualitäts-Verhältnis. Heißt, die Deutschen greifen also nicht wieder verstärkt zu Lebensmitteln der günstigsten Kategorie, sondern zeigen ein abgestuftes Ausweichverhalten auf die „nächstschlechtere“ Stufe unterhalb von Premium-Bio-Qualität.
Die Pandemie bescherte dem eCommerce Erfolge, die trotz des schon lange andauernden Booms zuvor undenkbar schienen. Insofern wirkt der Rückgang der Kauflaune zwar dramatisch, fällt jedoch deutlich milder aus, wenn langjährige Vergleiche betrachtet werden – ohne die extremen Anstiege durch die Pandemie. Heißt, langfristig betrachtet ist das Wachstumssaldo nach wie vor positiv, es fiel 2022 nur um 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Erklären lässt sich der Rückgang mit zwei Tatsachen:
Ersteres ist eine Herausforderung, die der Onlinehandel kaum von sich aus lösen kann. Letzteres hingegen führte bereits zu einer Verschiebung. Es boomen derzeit hochwertigere, aber insgesamt kompaktere Verpackungen und Versandkartons. Ein als besonders hochwertig bekanntes Material wie der Chromokarton wird häufiger genutzt.
Im Gegenzug weisen Versandverpackungen dafür weniger Leerraum auf. Dadurch bleiben die Außenabmessungen kompakter und geraten somit bei vielen Versanddienstleistern in einen günstigeren Tarif. Da insbesondere besagter Chromokarton eine sehr hohe Stabilität aufweist, hat der Mangel an Leer- und somit Polsterraum keine Nachteile für die Verpackung und das Produkt darin.
Interessant ist zudem ein Effekt bei Lebensmitteln: Tatsächlich hatte hierbei der Krieg bislang keinen messbaren Einfluss. Im Gegenteil, die Kaufbereitschaft für Online-Lebensmittel stieg sogar weiterhin an. Experten erklären dies mit den starken Kraftstoffpreiserhöhungen. Wer selbst einkaufen fährt, trägt diese allein. Selbst mit erhöhten Versandkosten fallen sie jedoch beim Online-Kauf häufig nicht so stark aus.
Supermärkte gehörten zu den größten Pandemiegewinnern des stationären Handels. Der Grund ist die Produktstruktur, die ein One-Stop Shopping ermöglicht – wer alles in einem Geschäft erhält, setzt sich einem geringeren Ansteckungsrisiko aus.
Da jedoch der Krieg sozusagen begann, als die Pandemie langsam abebbte, konnte sich dieser Vorteil nicht gegenüber einem maßgeblichen Nachteil behaupten: den typischerweise höheren Preisen. In der Folge wendeten sich im Jahresverlauf viele Verbraucher von diesen Geschäften ab und kauften stattdessen häufiger bei den meist deutlich günstigeren Discountern ein.
Zwar erscheint es zum jetzigen Stand unwahrscheinlich, dass der Supermarkt seinen Spitzenplatz als meistgenutzter Einkaufskanal für Lebensmittel abgeben muss. Jedoch sehen einige Experten hohe ein- bis niedrig zweistellige prozentuale Verluste bei den Marktanteilen als möglich.
Schon vor Krieg und Pandemie nutzten viele Verbraucher regelmäßig Sonderangebote. Derzeit allerdings lässt sich ein merklich gestiegener Fokus auf diese Verkaufsaktionen betrachten. Wurden Sonderangebote zuvor oftmals nur als Gelegenheit betrachtet, eigentlich nicht regelmäßig im Einkaufskorb landende Waren günstig zu erwerben, modellieren derzeit viele Verbraucher, besonders aus den einkommensschwächeren Schichten, ihr gesamtes Einkaufsverhalten regelrecht um diese Angebote herum.
Analog hierzu beobachten weite Teile des Handels speziell bei verderblichen Verbrauchsartikeln ein Umdenken: Es wird deutlich stärker auf die Packungs- bzw. Portionsgröße geachtet, damit möglichst gar nichts verdirbt und entsorgt werden muss.
Die bisherigen Informationen in diesem Artikel fokussierten sich zwar auf Deutschland, lassen sich aber sinngemäß auf viele andere Nationen übertragen – viele Staaten erleben schließlich gerade ähnliche Inflationsraten. Die Information dieses Kapitels ist jedoch tatsächlich global, brandaktuell und gehört zu den stärksten Auswirkungen im Verbraucherverhalten.
Smartphone-Hersteller konnten sich bis Kriegsbeginn beruhigt zurücklehnen. Die weltweite Kaufkraft erlebte keine dramatischen Einbrüche, die Digitalisierung nahm weiterhin zu. Zusammen mit je nach Hersteller häufiger als jährlich lancierten optimierten Modellen garantierte das stetige und stetig hohe Absätze.
Nun, zumindest bis ins Jahr 2022. Ende Januar 2023 veröffentlichte die International Data Corporation (IDC) eine Untersuchung, deren Daten nicht weniger als eine Katastrophe für die erfolgsverwöhnte Branche sind.
Dies deckt sich mit stark verlängerten Nutzungszeiträumen. 2018 noch wurden Smartphones in den fünf größten (damaligen) EU-Nationen im Schnitt 26,2 Monate lang benutzt, bevor ein Neugerät erworben wurde. Mittlerweile hat dieser Wert sich streckenweise fast verdoppelt, liegt in vielen Märkten schon jenseits der 40 Monate.
Die geringsten Verluste konnte Apple vermelden (-14,9 %). Der chinesische Hersteller Xiaomi hingegen musste herbe Verluste von über einem Viertel gegenüber dem Vorjahreszeitraum verkraften (-26,3 %).
Nur kaufen, was man wirklich braucht. Teurere Anschaffung in eine (erhofft) bessere Zukunft verschieben. Flexibler einkaufen, um möglichst viel zu sparen. Sich luxuriös wirkende Produkte erst einmal verkneifen. Mit diesen Worten lässt sich das neue, kriegsbedingte Einkaufsverhalten der Deutschen und vieler anderen Menschen beschreiben.
Anhalten wird diese Phase zumindest so lange, wie die durch den Ukraine-Krieg anhaltende Unsicherheit bestehen bleibt. Allerdings rechnen viele Experten damit, dass die Preise selbst danach auf einem weiterhin hohen Niveau verharren werden. Dies lässt kritisch in die Zukunft blicken. Denn die staatlichen Gegenmaßnahmen sind teilweise sehr teuer und können nicht unendlich lange aufrechterhalten werden.
Erst ab 2024 könnte sich der Druck merklich erholen. 2023 dürfte daher nach jetzigem Stand ein weiteres teures Jahr werden.