Robert Klatt
In Deutschland wird die Abwärme von industriellen Anlagen bisher kaum genutzt, obwohl dadurch etwa 60 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr eingespart werden könnten.
Berlin (Deutschland). Etwa zwei Drittel der Primärenergie gehen global als unvermeidbarer Abwärme verloren. Das Wärmeplanungsgesetz § 3 Nr.13 definiert „unvermeidbarer Abwärme“ als Abwärme, die in die Luft oder in das Wasser abgeleitet wird, anstatt diese für andere Prozesse, etwa die Einspeisung in Fernwärmenetze, zu nutzen.
„Unvermeidbare Abwärme ist Wärme, die als unvermeidbares Nebenprodukt in einer Industrieanlage, einer Stromerzeugungsanlage oder im tertiären Sektor anfällt und ohne den Zugang zu einem Wärmenetz ungenutzt in die Luft oder in das Wasser abgeleitet werden würde. Abwärme gilt als unvermeidbar, soweit sie aus wirtschaftlichen, sicherheitstechnischen oder sonstigen Gründen im Produktionsprozess nicht nutzbar ist und nicht mit vertretbarem Aufwand verringert werden kann.“
Laut einer Studie des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) liegt das technisch verfügbare Potenzial von industrieller Abwärme in Nordrhein-Westfalen (NRW) bei etwa 96 Terawattstunden (TWh) jährlich. Das Fernwärmenetz in NRW hat im selben Zeitraum einen Wärmebedarf von 30 TWh gedeckt, der größtenteils über fossile Brennstoffe (80 %) und nicht über die ohnehin vorhandene Abwärme gedeckt wurde. Es wird somit deutlich, dass das Abwärmepotenzial ausreichend groß ist, um den gesamten Fernwärmebedarf des Bundeslandes mehrfach zu decken.
Eine Analyse des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) zeigt, dass die Dekarbonisierung in Deutschland ohne Abwärmenutzung nicht funktionieren kann. Laut dem Bericht auf der Abwärmefachtagungen hat die Abwärme das Potenzial, etwa die Hälfte der Haushalte mit Wärme zu versorgen. Die Abwärmenutzung könnte somit dabei helfen, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, die Energiesicherheit zu erhöhen und könnte die CO₂-Emissionen des Landes um etwa 60 Millionen Tonnen jährlich reduzieren.
Es lohnt sich somit nicht nur aus ökonomischen Aspekten, die Abwärme besser zu nutzen, sondern auch in Hinblick auf den Klimawandel und die CO₂-Konzentration in der Atmosphäre, die laut einer Studie der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) seit 2004 um mehr als zehn Prozent zugenommen hat
Analysen zeigen, dass sich die Abwärmenutzung in der Industrie betriebswirtschaftlich lohnen kann, auch wenn zuerst hohe Investitionen in nötig sind, etwa in ausreichend dimensionierte Kunststoff Wärmetauscher. Entsprechende Maßnahmen können dazu beitragen, die innerbetriebliche Energieeffizienz zu erhöhen, indem sie Energiebedarf und die damit verbundenen Kosten reduzieren. In Deutschland werden Investitionen in diesem Bereich oft aus öffentlicher Hand gefördert und amortisieren sich deshalb in wenigen Jahren. Außerdem können Industrieunternehmen mit viel überschüssiger Abwärme diese direkt verkaufen oder in Strom umwandeln, um eine weitere Einnahmequelle zu erschließen.
Da Abwärme in unterschiedlichen Temperaturbereichen und Qualitätsstufen anfällt und die Bedingungen für ihre Nutzung je nach Standort stark variieren, ergeben sich vielfältige Möglichkeiten zur energetischen Verwertung. Die am häufigsten genutzten Methoden sind:
Neben Industrieunternehmen haben auch Rechenzentren ein großes Potenzial. In Deutschland erzeugen Rechenzentren derzeit jährlich etwa zehn Milliarden Kilowattstunden an Abwärme. Diese IT-Abwärme wird bisher kaum genutzt. Würde die gesammelte Abwärme aller Rechenzentren in Deutschland effizient genutzt, könnte sie den Heizbedarf von rund zwei Millionen Einfamilienhäusern decken.
Mit dem Ausbau der digitalen Infrastruktur gewinnt die Abwärme aus Server- und Rechenzentren zunehmend an Bedeutung. Besonders deutlich zeigt sich dieses Potenzial in Frankfurt am Main, wo etwa 40 Prozent der deutschen Großrechenzentren ansässig sind. Berechnungen des Borderstep Instituts zufolge könnte in Frankfurt künftig der gesamte Wärmebedarf durch Abwärme aus diesen Rechenzentren gedeckt werden.