Robert Klatt
Die Weltbevölkerung wurde bisher vor allem mit Volkszählungen und Satellitenbildern erfasst. Laut einer neuen Methode wurde dabei die Anzahl der Menschen, primär in ländlichen Regionen, stark unterschätzt.
Espoo (Finnland). Die Vereinten Nationen (UN) nutzen zur Schätzung der Weltbevölkerung vor allem Volkszählungen, aber auch weitere Informationsquellen wie Satellitenbilder der Bebauung und der nächtlichen Beleuchtung. Wie Forscher der Aalto University erklären, reichen diese Daten aber nicht aus, um die Weltbevölkerung präzise zu ermitteln. Besonders die Bevölkerung in ländlichen Regionen wird oft nur unzureichend erfasst. Hinzukommt, dass politische Konflikte und der Widerstand in der Bevölkerung die Datenerfassung erschweren.
„Solche Herausforderungen können zu einer erheblichen Unvollständigkeit der Zählung führen. In Paraguay zum Beispiel wurde bei der Volkszählung 2012 möglicherweise ein Viertel der Bevölkerung nicht erfasst.“
Umsiedlungsdaten aus Staudammprojekten
Die Forscher haben deshalb eine neue Methode entwickelt, um die Anzahl der Menschen in abgelegenen Regionen präziser schätzen zu können. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications nutzen sie dazu Umsiedlungsdaten aus Staudammprojekten.
„Wenn Staudämme gebaut werden, werden große Gebiete überflutet und die Menschen müssen umgesiedelt werden. Die umgesiedelte Bevölkerung wird in der Regel genau gezählt, weil die Staudammunternehmen den Betroffenen Entschädigungen zahlen.“
Die Bevölkerungszählungen haben die Forscher anschließend mit Informationen aus Satellitenbildern kombiniert. Insgesamt haben sie über 300 Staudammprojekte in 35 Ländern analysiert und die Ergebnisse mit bestehenden globalen Bevölkerungsdatensätzen abgeglichen.
Laut der Studie haben alle fünf bestehenden Bevölkerungsdatensätze die reale Bevölkerungszahl in den ländlichen Regionen stark unterschätzt, darunter der Datensatz WorldPop (53 %) und der Datensatz GHS-POP (84 %).
„Dies bedeutet, dass die ländliche Bevölkerung selbst im genauesten Datensatz im Vergleich zu den gemeldeten Zahlen um die Hälfte unterschätzt wird.“
Die Studie zeigt somit, dass auf der Erde deutlich mehr Menschen leben, als in den gängigen Bevölkerungsdatensätzen angegeben ist. Besonders hoch sind die Differenzen zwischen den Bevölkerungsdatensätzen und der realen Bevölkerung in China, Brasilien, Australien, Polen und Kolumbien.
Die Forscher erklären, dass die Menschen in ländlichen Regionen durch die falsche Bevölkerungsschätzung in vielen Bereichen benachteiligt werden, darunter der Zugang zu Dienstleistungen, Bildung und Ressourcen.
„Die von uns festgestellten Verzerrungen erfordern eine kritische Diskussion über vergangene und künftige Anwendungen dieser Datensätze, um das Risiko zu mindern, dass ländliche Bevölkerungsgruppen systematische Nachteile bei der Zuweisung von Ressourcen und Dienstleistungen erfahren.“
Nach aktuellen Schätzungen leben etwa 43 Prozent der bisher angenommenen 8,2 Milliarden Menschen in ländlichen Gebieten. In Anbetracht der neuen Studiendaten ist es somit realistisch, dass die tatsächliche Weltbevölkerung mehrere hundert Millionen Menschen größer ist.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-025-56906-7