Robert Klatt
Der Weiterbetrieb von Atomkraftwerken hilft laut einer Metastudie auf Basis der Kriterien der EU-Taxonomie-Verordnung nicht gegen den Klimawandel.
Wien (Österreich). Veraltete Kohlekraftwerke, die vor allen in Indien, Russland und Osteuropa stehen, gehören zu den größten CO2- und Schadstoffemittenten der Erde. Unterstützer der Kernenergie vertreten deshalb oft die Ansicht, dass der Anteil von Atomkraftwerken in der Stromerzeugung erhöht statt gesenkt werden sollte, um dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Die Umweltökonomin Professorin Sigrid Stagl hat nun im Auftrag der österreichischen Regierung die Atomkraft nach den Kriterien der EU-Taxonomie-Verordnung analysiert. Es handelt sich dabei um eine Verordnung, die Kriterien für nachhaltige Investitionen definiert. In Kraft treten soll die EU-Taxonomie-Verordnung am 1. Januar 2020
Laut der Metastudie (PDF) schützt Atomkraft als Energiequelle das Klima nicht und ist somit keine sinnvolle Alternative zur Stromerzeugung per Wind-, Wasser- und Solarenergie.
Die Studie zeigt, dass die Atomkraft gegen die Ziele Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme des Punktes „Do No Significant Harm“ der EU-Taxonomie-Verordnung verstößt.
Als besonders problematisch sieht Stagl, dass Atomkraftwerke zur Kühlung überdurchschnittlich viel Wasser benötigen. Aufgrund des Klimawandels kam es bereits bei mehreren Kraftwerken dazu, dass die zur Kühlung genutzten Flüsse nicht ausreichend Wasser führten oder dass die Temperatur des Wassers zu hoch war. Dies führte zu Unterbrechungen der Stromerzeugung.
Außerdem verursacht der Uranabbau in der Umwelt große Schäden, weil erhebliche Mengen radioaktive Stoffe, Prozesswasser, Metalle und Säuren freigesetzt werden. Als weitere Punkte, die gegen die Nutzung von Atomkraftwerken sprechen nennt Stagl die noch immer ungeklärte Frage der Zwischen- und Endlagerung und die Gefahr, dass Abfallprodukte terroristisch oder militärisch genutzt werden könnten.
Laut Stagl kommt es im Uranbergbau und in der Uranverarbeitung außerdem zu Verletzungen internationaler Sozialstandards, deren Einhaltung die EU-Taxonomie-Verordnung ebenfalls vorsieht. Betroffen sind davon direkt die Arbeiter in den Bergwerken aber auch die Menschen in den Regionen, der Menschenrecht auf sauberes Wasser und bewohnbares Land durch den Uranabbau verletzt wird.
Die Metastudie zeigt außerdem, dass die Weiternutzung von Atomkraftwerken aufgrund der hohen Kapitalintensität den Ausbau von Sonnen-, Wind- und Wasserkraft behindert. Kohle- und Gaskraftwerke würden demnach weiterhin am Netz bleiben und CO2 ausstoßen. Ein zügiger Ausstieg aus der Kernenergie würde hingegen die Investitionen in erneuerbare Energiequellen deutlich erhöhen und damit mittelfristig dazu führen, dass auch Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt würden.