Robert Klatt
Neue Wälder sind aufgrund ihrer enormen CO2-Speicherpotentiale das wirksamste Mittel gegen den Klimawandel. Eine Bewaldung der Fläche der USA könnte zwei Drittel aller menschengemachten CO2-Emissionen wieder aus der Atmosphäre entfernen.
Zürich (Schweiz). Wälder gehören auf unserem Planeten zu den wichtigsten Klimaakteuren, da sie durch die Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und so den Gehalt des klimaschädlichen Gases regulieren. Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) haben aus dem diesem Grund untersucht, welchen Einfluss eine globale Aufforstung der Erde auf den Klimawandel haben würde.
Laut den Ergebnissen der im Fachmagazin Science veröffentlichten Studie würden 0,9 Milliarden Hektar neuer Wald, dies entspricht etwa der Fläche der USA, dafür sorgen, dass zwei Drittel der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen wieder aus der Luft entfernt werden könnten. Hochrechnungen gehen davon aus, dass der Mensch seit Beginn der industriellen Revolution 300 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen verursacht hat, die den CO2-Anteil in der Atmosphäre von 280 parts per million (ppm) auf den derzeitigen CO2-Rekordwert von 415 ppm erhöht haben.
Anhand der klimatischen Bedingungen analysierten die Wissenschaftler, dass 4,4 Milliarden Hektar der Erde Lebensbedingungen bieten, die eine Bewaldung ermöglichen. Von dieser Fläche sind aktuell 2,8 Milliarden Hektar mit Wald bedeckt. Von den verbleibenden 1,6 Milliarden Hektar werden 0,7 Milliarden Hektar durch Städte und die Landwirtschaft genutzt. 0,9 Milliarden Hektar sind also derzeit nicht mit von Wäldern bedeckt und auch nicht anderweitig genutzt, obwohl sie die dafür notwendigen Bedingungen bieten.
Eine Aufforstung dieser Fläche würde dazu führen, dass 205 der 300 Gigatonnen CO2 wieder gebunden werden, die der Mensch vor allem durch die Nutzung von Erdöl, Kohle und Erdgas in der Atmosphäre gelöst hat. Schätzungen des Weltklimarats IPCC gehen davon aus, dass eine Milliarden Hektar neuer Wälder nötig ist, um die Erwärmung der Erde bis 2050 auf 1,5 Grad zu beschränken.
Die größten Potentiale verteilen sich dabei auf dabei sechs Staaten, die zusammen mehr als die Hälfte der möglichen neuen Waldflächen besitzen.
Eine weitere Studie, die im Fachmagazin Science Advances erschienen ist, sieht besonders in tropischen Regionen Möglichkeiten zu Aufforstung der Regenwälder. In Asien, Mittel- und Südamerika und Afrika gibt es laut Wissenschaftlern der Universität von São Paulo mehr als 100 Millionen Hektar, die ehemals mit Regenwald bedeckt waren und deren Aufforstung sich besonders lohnen würde. Dies liegt daran, dass Regenwälder eine Baumbedeckung von bis zu 100 Prozent besitzen, während Wälder in nördlichen Regionen nur eine Baumdichte von maximal 40 Prozent haben und somit bei der gleichen Fläche wesentlich weniger CO2 aus der Atmosphäre entfernen.
Tom Crowther, Autor der Studie erklärt, „dass Flächen zu bewalden derzeit die beste verfügbare Lösung gegen den Klimawandel ist.“ Da die Bäume bis sie ihr volles CO2-Speicherpotential ausschöpfen können allerdings Jahrzehnte benötigen, muss schnell gehandelt werden, um die Auswirkungen des Klimawandels und die Erwärmung der Erde durch die Aufforstung zu begrenzen.
Karlheinz Erb von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien, der an der Studie nicht beteiligt war kommentiert die Ergebnisse kritisch, da auch Gebiete als aufforstbar angesehen wurden, die von Menschen für die Viehzucht genutzt werden. Auch der durch die wachsende Weltbevölkerung steigende Nahrungsmittelbedarf und die daraus resultierenden größeren Ackerflächen wurden laut Erb nicht ausreichend berücksichtigt. Der Wissenschaftler sieht deshalb die „Aufforstung nicht als Wunderwaffe gegen den Klimawandel, sondern nur als Teil einer Lösung.“
Science, doi: 10.1126/science.aax0848
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aav3223