Riskantes Experiment

Ballon für künstliche Klimaabkühlung soll im Juni erprobt werden

Robert Klatt

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Kalziumkarbonat-Partikel sollen in der Stratosphäre das Sonnenlicht reflektieren und die Erde künstlich abkühlen. In der Wissenschaft ist das Experiment aufgrund seiner Risiken umstritten.

Cambridge (U.S.A.). Die Wissenschaft konnte 1991 nach der Eruption des Vulkans Pinatubo (Philippinen), bei der große Mengen Staub und Aerosole in die Atmosphäre gelangten, beobachten, dass sich die Erde durch die reduzierte Sonneneinstrahlung um 0,4 Grad Celsius abkühlte. Später entstanden daraus Ansätze, mit denen die Erde durch die Freisetzung von Partikeln in der Stratosphäre abgekühlt werden könnte.

Wissenschaftler der Universität Harvard möchten im kommenden Jahr eine solche Geoengineering-Idee zur künstlichen Klimasteuerung weiterentwickeln. Beim Stratospheric Controlled Perturbation Experiment (Scopex) soll dazu ein Ballon auf 20 Kilometer Höhe aufsteigen und dort kleine Partikel des Minerals Kalziumkarbonat freisetzen. Diese sollen die Sonnenstrahlen reflektieren und in den Weltraum ableiten. Außerdem besitzt der Ballon unterschiedliche Messinstrumente, um die des chemischen und physikalischen Prozesse innerhalb des künstlichen Schleiers zu analysieren.

Geoengineering über Schweden

Der Ballon soll im Juni 2021 über Schweden erprobt werden. Beim ersten Flug wird aber noch kein Kalziumkarbonat freigesetzt. Es handelt sich dabei also nur um eine „Trockenübung“, um die Funktionen des Ballons unter Realbedingungen zu testen. Die dafür nötige Genehmigung, die ein eigens von der Universität Harvard berufenes unabhängigen Expertengremium erteilen kann, steht allerdings noch aus.

Kritik am Experiment

In der Fachwelt wird das geplante Experiment entschieden kritisiert. Dies liegt daran, dass die Schwefelaerosole des Vulkans Pinatubo zwar eine Klimaabkühlung auslösten, dabei aber auch die Ozonschicht schädigten. Laut eines im Fachmagazin Communications Earth & Environment publizierten Papers der Harvard Forscher ist Kalziumkarbonat zwar deutlich weniger reaktiv, welche Effekte die Freisetzung auf die Atmosphäre hat kann, aber nicht genau prognostiziert werden. Geplant ist deshalb vorerst ein Experiment in einem kleinen Maßstab mit 100 bis maximal 2.000 Gramm Kalziumkarbonat, um das Restrisiko zu minimieren.

Auswirkungen auf die Stratosphäre unklar

Lange vermutete das Scopex-Team sogar, dass Kalzit-Partikel positiv auf die Ozonschicht wirken könnten. Kürzlich erfolgte Laborexperimente zeigten jedoch, dass die Partikel ozonzerstörerische Moleküle nahezu nicht beeinflussen. Welche Auswirkungen die Partikel unter Realbedingungen haben werden, lässt sich aufgrund der hohen Komplexität in der Stratosphäre allerdings nicht im Labor untersuchen.

Einsatz im großen Ausmaß denkbar?

Auch die am Projekt beteiligten Forscher äußern Vorbehalte gegenüber der Methode. Laut ihnen ist es wegen unabsehbarer Folgen für das Klimasystem und unbekannter Nebenwirkungen zweifelhaft, ob ein solches System abseits von kleinen Experimenten jemals im großen Ausmaß eingesetzt werden sollte.

Außerdem befürchten die Wissenschaftler eine Abhängigkeit, falls die Methode eingesetzt würde, um das Klima tatsächlich signifikant zu beeinflussen. Es würde in so einem Fall dazu kommen, dass ständig neue Partikel in der Atmosphäre freigesetzt werden müssten, um einen schnellen Temperaturanstieg zu verhindern, weil die Technik lediglich die Symptome bekämpft aber nicht den eigentlichen Klimawandel stoppt.

Das Team um Keutsch hält es trotz der Risiken für falsch, die Möglichkeiten zur Klimasteuerung nicht zu erforschen, weil sie bei einer rasant fortschreitenden Erderwärmung in der Zukunft womöglich die letzten Auswege der Menschheit seien könnten.

Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-020-00058-7

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