Robert Klatt
Die Beirut-Explosion gehörte zu den stärksten nichtnuklearen Explosionen der Geschichte. Daten von GPS-Satelliten zeigen nun, dass sogar die Ionosphäre erschüttert wurde.
Beirut (Libanon). Die Explosion in Beirut am Nachmittag des 4. August 2020 war eine der stärksten nichtnuklearen Explosionen der Geschichte. In einem Lagerhaus am Hafen explodierten mehr als 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat. Dabei wurde eine Energie von 1,1 Kilotonnen TNT freigesetzt und alles im Umkreis von 140 Metern vollständig zerstört. Bei der Katastrophe, die durch eine falsche Lagerung der Chemikalien ausgelöst wurde, starben über 200 Menschen, etwa 300.000 verloren ihre Wohnungen.
„Der Infraschall dieser Explosion wurde in Tunesien, Deutschland und der Elfenbeinküste registriert und seismische Messstationen reagierten noch bis in 500 Kilometer Entfernung auf die Erschütterungen“, erklärt Bhaskar Kundu von Nationalinstitut für Technologie im indischen Rourkela.
Die Wissenschaftler vermuteten überdies, dass die Schockwelle der Beirut-Explosion aufgrund ihrer großen Reichweite sogar die Ionosphäre erreicht haben könnte. Die Ionosphäre ist die äußere Schicht der Atmosphäre. Sie besteht aus ionisierten Gasen, beginnt etwa 80 Kilometer über der Erde und reicht mit mehr als 1000 Kilometer Höhe bis zur Grenze des Weltalls. Sonnenstürme und andere kosmische Ereignisse können zu Turbulenzen in der Ionosphäre führen, es wurden aber auch bereits Erschütterungen nach starken Vulkanausbrüchen und oberirdische Atomexplosionen gemessen.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Scientific Reports analysierte das Team um Kundu deshalb Signale von 15 Empfangsstationen der Satelliten-Navigationssysteme (GNSS) im Nahen Osten. Die zugehörigen Satelliten im geostationären Orbit übertragen mittels Mikrowellen Information zu den Empfangsstationen auf der Erde. Dabei durchdringen die Mikrowellen auch die Ionosphäre.
Im Falle von Turbulenzen, kommt es dort zu Schwankungen der Elektronendichte, die die Laufzeit der Mikrowellen beeinflusst. Anhand der Signalverzögerung zwischen Satellit und Empfangsstation lässt sich also ablesen, ob Schockwellen der Beirut-Explosion die Ionosphäre erreicht haben.
Die Daten zeigen, dass zehn Minuten nach der Beirut-Explosion Schockwellen mehr als 300 Kilometer Höhe erreichten. Die deutlich nachweisbaren Schwingen hatten eine Periode von 80 Sekunden und breiteten sich mit 0,8 Kilometern pro Sekunden in südlicher Richtung aus. Anhand von Schwankungen der Elektronendichte konnten das Team um Kundu ermitteln, dass die Stärke der menschengemachten Turbulenzen vergleichbar mit einigen Vulkanausbrüchen war.
Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-021-82355-5