Robert Klatt
Die extrem saubere Luft hat in der Antarktis aufgrund des Supercooling-Effekts dazu geführt, dass bei minus 25 Grad Celsius für sieben Stunden Nieselregen entstanden ist. Die neuen Erkenntnisse haben großen Einfluss auf die Klimamodelle der Wissenschaft, weil der Faktor, der die Wolkenbildung und die Wärmeentwicklung auf der Erde beeinflusst, bisher nicht berücksichtigt wurde.
State College (U.S.A.). Wissenschaftler der Pennsylvania State University haben in der Antarktis, die mit Temperaturen von bis zu minus 98 Grad Celsius der kälteste und lebensfeindlichste Kontinent unseres Planeten ist, erstmals ein neues Wetterphänomen beobachtet. Laut des im Journal of Geophysical Research veröffentlichten Forschungsartikels hat über der Westantarktis eine hunderte Kilometer lange Wolkenkette bei minus 25 Grad Celsius für mehr als sieben Stunden für Nieselregen gesorgt.
Eigentlich ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass Nieselregen in schichtförmigen, niedrigen Wolken entsteht, wenn die Temperatur dort so hoch ist, dass keine Eisbildung eintritt und Wassertropfen kondensieren können. Bei der Beobachtung, die die Wissenschaftler in der McMurdo-Forschungsstation in der Westantarktis machten, lag die Temperatur der Luft und der Wolke aber bei deutlich unterhalb des Gefrierpunkts.
Laut Studienleiter Israel Silber „machen Prozesse wie die Eisbildung und das Wachstum von Eiskristallen die Entstehung von Nieselregen bei so niedrigen Temperaturen normalerweise unwahrscheinlich.“ Außerdem zeigten Lasermessungen, dass das Wolkenfeld des Ross-Schelfeises an der antarktischen Küste selbst im inneren flüssige Wassertröpfchen enthielt.
Um herauszufinden, welche Ursache dieses erstmals beobachtete Wetterphänomen ausgelöst hat, haben die Wissenschaftler mithilfe einer hochauflösenden Modellsimulationen die Bedingungen innerhalb des Wolkenfelds nachgebildet. Es zeigte sich dabei, dass der ungewöhnlichen Nieselregen aufgrund der extrem reinen Luft der Region entstehen konnte. Wie Silber erklärt „gibt es hier kaum Schadstoffe und auch insgesamt weniger umherfliegende Partikel.“
Als Folge der sehr sauberen Luft konnte das Wasser aufgrund des sogenannten Supercooling-Effekts auch bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunkts flüssig bleiben. Dies liegt daran, dass die für die Eisbildung nötigen Kristallisationskeime fehlten, ohne die die Wassermoleküle sich nicht zu geordneten Eiskristallen zusammenlagern können. Supercooling findet auch in der Medizin Anwendung und könnte in Zukunft genutzt werden, um Spenderorgane nach dem Entfernen länger verwendbar zu machen.
Silber konstatiert, dass „die Studie darauf hindeutet, dass ein anhaltendes Nieseln bei den geringen Aerosolkonzentrationen der Antarktis und der Atmosphäre über dem Südozean trotz der niedrigen Temperaturen häufiger vorkommen könnte.“ Weil dieser Prozess auch die Wolkenbildung beeinflusst, müssen die neuen Erkenntnisse in die derzeit genutzten Klimamodelle einbezogen werden. Wie Silber erklärt „verändert Nieselregen die Lebensdauer einer Wolke und das wiederum beeinflusst die Wärmemenge, die die Erde erreicht.“
Journal of Geophysical Research, doi: 10.1029/2019JD030882