D. Lenz
Die Folgen des Reaktorunglücks sind noch schwerer als bisher angenommen. Wissenschaftler haben in Mikropartikeln Uran gefunden.
Kyushu (Japan) / Manchester (Vereinigtes Königreich). Der am 14. März 2011 stattgefundene Atomunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima Daiichi gilt als einer der größten Unglücksfälle in der Historie der Kernenergie. Eine Kernschmelze, die durch einen Ausfall des Kühlsystems verursacht wurde, hatte eine Explosion zur Folge, bei der eine große Menge radioaktiver Nuklide in die Umwelt gelangen konnten. Auch heute, fast sieben Jahre nachdem Unfall, ist die Situation noch nicht vollständig unter Kontrolle und es kommt immer noch unregelmäßig zu Austritten von radioaktiven Material, welches Boden, Grundwasser und das nahe Meer kontaminiert.
Experten waren bisher der Meinung, dass in Fukushima vor allem leichte gasförmige Nuklide ausgetreten sind. Unmittelbar nachdem Unfall konnten in der Umgebung radioaktive Isotope der Elemente Strontium, Schwefel, Xenon und Lithium sowie Cäsium gefunden werden. Bei einer erneuten Untersuchung im Jahr 2016 stellten Wissenschaftler dann fest, dass das ausgetretene radioaktive Cäsium nicht wie vorerst vermutet als Gas, sondern in Form von Mikropartikeln in die Umwelt gelangt ist.
Asumi Ochiai von der Kyushu Universität in Japan hat mit seinen Kollegen die genauen Bestandteile der gefundenen Mikropartikel untersucht. Die Wissenschaftler entnahmen dazu Boden- und Wasserproben innerhalb der Sperrzone die rund um das Kraftwerk eingerichtet wurde. Die Proben wurden also nur wenige Kilometer vom verunglückten Reaktor entfernt gesammelt.
Die Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler mit Koautoren von der Universität Manchester in der Fachzeitschrift Environmental Science & Technology. Die Mikropartikel in den Proben beinhalteten nicht nur, wie bisher vermutet, kurzlebige Nuklide wie Cäsium, sondern auch Nanofragmente von zwei verschiedenen Uranverbindungen. Es wurden 70 Nanometer kleine Kristalle aus Uranoxid und 200 Nanometer kleine Kristalle, die aus einer Uran-Zirkoniumoxid-Mischung bestehen gefunden.
Ochiai erklärte, dass "sie nun zum ersten Mal die Merkmale der freigesetzten Brennstoff-Nanofragmente im Atommaßstab beschreiben." Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die chemischen wie physikalischen Eigenschaften gesammelten Proben sehr heterogen sind.
Sowohl Uran als auch radioaktives Zirkonium haben eine Halbwertszeit von mehreren Milliarden Jahren. Die Forscher erklärten, dass die Speerzone und auch angrenzende Gebiete wesentlich länger als bisher angenommen radioaktiv verseucht sein könnten. Äußerst problematisch ist auch, dass die radioaktiven Mikropartikel aufgrund ihrer Größe eingeatmet werden können, wenn sie beispielsweise durch den Wind in die Luft gelangen.
Die Uranbestandteile in den Mikropartikeln sind außerdem ein Beleg dafür, dass nicht nur Zerfallsprodukte bei dem Unfall in die Umwelt gelangt sind, sondern auch Teile der eigentlichen Brennstäbe. Die Wissenschaftler erklärten, dass "die Partikel eine Mischung aus geschmolzenem Kernbrennstoff und Reaktormaterialien sind. Sie spiegeln die komplexen thermischen Prozesse wider, die sich im Atomreaktor während der Kernschmelze ereignet haben."
Gareth Law betonte, dass "es ist nun dringend nötig ist, weitere detailliertere Untersuchungen zu den Überresten des Kernbrennstoffs durchzuführen – auch in den Reaktoren selbst und außerhalb der Sperrzone." Diese Informationen werden auch von der Betreiberfirma Tepco benötigt, da so weiteres Wissen über den Zustand der geschmolzenen Reaktorkerne, die sich noch in der Anlage befinden, gewonnen werden kann. Durch die immer noch sehr starke Strahlung, können keine Proben oder Aufnahmen direkt am Reaktor durchgeführt werden.