Robert Klatt
In einigen Milchproben aus Norddeutschland wurde das auch für den Menschen tödliche Gift Hypoglycin A entdeckt.
Halle (Saale) (Deutschland). Das Gift Hypoglycin A kommt in hoher Konzentration neben unreifen Akee- und Litschi-Früchten auch in Samen und Keimlingen unterschiedlicher Ahornbäume vor, darunter auch im in Deutschland weitverbreiteten Bergahorn. Hypoglycin A kann man Menschen schwere Erkrankungen auslösen und sogar zum Tod führen.
2017 sind in Indien durch das Gift mehrere Hundert Kinder, die viele Litschis gegessen hatten, plötzlich verstorben. „Die Substanz stört den Energiestoffwechsel im Körper. Ein typisches Symptom beim Menschen ist ein sehr niedriger Blutzuckerspiegel“, erklärt Prof. Dr. Annette Zeyner vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU). Außerdem konnte die Forschung bereits 2013 belegen, dass das Gift bei Pferden die sogenannate Atypische Weidemyopathie auslöst, die häufig tödlich verläuft.
Das Team um Dr. Annette Zeyner hat in Kooperation mit Dr. Jörg Ziegler vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie (IPB) deshalb untersucht, ob auch Kühe bei Weidehaltung das Gift aufnehmen. „Ahornbäume sind weitverbreitet und die Weidehaltung von Kühen ist sehr beliebt. Insofern erschien es naheliegend, dass Kühe ähnlich wie Pferde Keimlinge oder Samen von Ahornbäumen fressen und so auch die Toxine des Ahornbaums aufnehmen könnten“, erklärt Zeyner.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Toxins untersuchten die Wissenschaftler deshalb Milchproben aus Norddeutschland. Entnommen wurden die Proben sowohl aus Milchtanks der Bauern als auch in Abfüllstationen. „Wir haben keine Proben von individuellen Kühen untersucht, sondern die Milch mehrerer Kühe aus Sammeltanks verwendet“, sagt Zeyner.
Untersucht wurden die Milchproben mithilfe eines speziellen Massenspektrometrie-Verfahrens, mit dem bereits kleinste Menge von Stoffen nachgewiesen werden können. „Wir haben Hypoglycin A nur in den Rohmilchproben des Betriebs gefunden, auf dessen Weide ein Ahornbaum stand“, erklärt Zeyner. Die Konzentration lag zwischen 17 und 69 Mikrogramm pro Liter Milch. „Das sind geringe und sehr unterschiedliche Konzentrationen. Wenn man aber bedenkt, dass auf der Weide nur ein einziger Baum stand und die Proben aus einem Sammeltank stammten, war es für uns überraschend, überhaupt etwas nachweisen zu können“, sagt Zeyner.
„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass Kühe das Gift offenbar aus Pflanzenteilen des Bergahorns aufnehmen und in ihre Milch übertragen. An diesen Befund schließen sich viele weitere Fragen an“, konstatieren die Autoren. Weitere Studien sollen nun klären, wie viel Gift die Kühe aufnehmen müssen, damit es zu nachweisbare Konzentrationen in die Milch kommt. Außerdem soll untersucht werden, ob die standardmäßige Behandlung der Milch und die Verarbeitung zu Lebensmitteln das Gift zerstören. Noch ist überdies unklar, ob die geringen Konzentrationen für die Kühe oder den Menschen gefährlich sind.
Toxins, doi: 10.3390/toxins13060381