Die Debatte um Deutschlands Umstellung auf erneuerbare Energien bis 2050 ist intensiv und vielschichtig. Um dieses Ziel zu erreichen, sind große Anstrengungen, Bürokratieabbau und effiziente Umsetzung notwendig. Energie- und Klimakrise erfordern eine Neuausrichtung der Energieversorgung, wobei Unabhängigkeit, Kostendruck und Unsicherheit die Hauptprobleme darstellen. Trotz Herausforderungen bleibt offen, ob das Vorhaben gelingen kann.
Interessengruppen, die Politik und viele weitere Beteiligte diskutieren teils scharf darüber, ob es möglich ist, Deutschland im Jahr 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt zu haben. Fakt ist, um dieses Ziel zu erreichen, ist viel Arbeit, aber auch der Abbau von Bürokratie und die Vereinfachung der Durchsetzung notwendig. Ebenfalls dürfen kritische Stimmen nicht verdrängt werden, denn selbst die Wissenschaft merkt Probleme an. Aber was gilt tatsächlich und könnte das Vorhaben gelingen?
Die Zeit drängt: Energiekrise und Klimakrise zeigen die Probleme auf
Der Großteil der beteiligten Diskussionsgruppen ist sich einig, dass sich Deutschland hinsichtlich der Energieversorgung neu aufstellen muss. Die Klimakrise ist das langfristige Problem, aktuell steht weiterhin die Energiekrise im Vordergrund. Die Problematik:
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Fehlende Unabhängigkeit – sicherlich konnte das Gas aus Russland größtenteils ersetzt werden, doch ist bislang nicht sicher, ob es im kommenden Winter nicht doch zu einer Gasknappheit kommen könnte. Und obwohl die neuen Verträge notwendig waren, damit LNG-Gas nach Deutschland gelangt, so bedeuten diese Verträge wiederum neue Abhängigkeiten.
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Kostendruck – der Kauf, aber auch der Transport und die Lagerung von Flüssiggas sind kostenintensiv. Die hohen Gaspreise wirken sich sowohl auf Wirtschaft als auch auf Privathaushalte aus und sind nicht auf Dauer zu tragen oder zu subventionieren. Einige Strom- und Gasanbieter haben zudem das Mittel der Kündigung genutzt, um höhere Preise einfacher an Kunden weitergeben zu können. In diesen Fällen sollten Verbraucher sich wehren.
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Unsicherheit – trotz neuer Lieferverträge herrscht stets eine gewisse Unsicherheit, denn die Lieferung ist an die Stabilität der Lieferländer gekoppelt. Zudem ist die Gasverstromung weiterhin ein problematischer Faktor, denn solange Gas verbrannt wird, um Strom zu erzeugen, sinken natürlich die Füllstände der Gasspeicher.
Abseits der Energiekrise steht die Klimakrise. Auch sie ist nicht zu vernachlässigen, wenngleich sie im Diskurs häufig als künftiges, doch nicht direktes Ereignis diskutiert wird. Sicher sind dennoch etliche alarmierende Fakten:
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Erderwärmung – die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels ist laut aktuellen Meldungen kaum noch realistisch, im ärgsten Fall wird diese Marke bereits Anfang der 2030er-Jahre überschritten.
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Die Folgen – sie werden, weltweit betrachtet, drastisch sein. Jedoch kann niemand mit absoluter Gewissheit voraussagen, welche Folgen an welchem Ort eintreffen werden. Klimaforscher bestätigen schon lange einen klaren Zusammenhang zwischen der Klimakrise und dem häufigeren Eintreten von Extremereignissen wie Dürre, Überschwemmungen und Waldbrände.
Beide Krisen stehen im direkten Zusammenhang. Durch die vollständige Umstellung auf Energien aus erneuerbaren Mitteln wird direkt die Klimakrise mit aufgegriffen und bestenfalls stark eingeschränkt.
Im Umkehrschluss ist es aller Ansicht nach sogar unmöglich, die Auswirkungen der Klimakrise abzumildern, ohne auf eine Energieversorgung zu setzen, die gänzlich ohne fossile Rohstoffe auskommt. Allerdings ist die Vorgabe, sich vollständig auf erneuerbare Energien zu beschränken, ein großes Ziel, welches harte Maßnahmen und ein vollständiges Umdenken erfordert.
Was sagen aktuelle Studien?
Wenngleich aktuelle Studien diesbezüglich teils noch zu unterschiedlichen Ergebnissen in den Details kommen, so ist ihnen eines gemein: Es sind technische Entwicklungen und eine vollständige Änderung der Regularien notwendig, wenn im Jahr 2050 die Energie komplett aus erneuerbaren Mitteln stammen soll. Ein Überblick:
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VDE - in der Studie, die am 10.März 2023 veröffentlicht wurde, kommt der VDE zur Erkenntnis, dass eine vollständige Versorgung mit erneuerbaren Energien möglich ist. Lokale und zentrale Elemente sollten dezentral geregelt werden. Die Energie wird aus einem Mix aus Off- und Onshore-Windanlagen, Photovoltaik, Geothermie, aber auch Wasserkraft und nachwachsenden Brennstoffen gewonnen, wobei Solar- und Windenergie vorherrschen werden. Durch Speichermöglichkeiten und lokale Verfügbarkeit würde der Kostendruck gesenkt und die Sicherheit gewährleistet sein.
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Fraunhofer Institut - bereits 2020 erschien die erste Studie, die zuletzt im November 2021 aktualisiert wurde. Diese Studien befassen sich mit der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045. Mit insgesamt vier Szenarien arbeitet die Forschungsgruppe und kommt bislang zu der Erkenntnis, dass das Vorhaben der Klimaneutralität gelingen kann.
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Umweltbundesamt - auch das Umweltbundesamt greift die Thematik auf. In der Kurzfassung kommt das Amt zu dem Schluss, dass »die Stromversorgung umgestaltet werden muss«. Dieser Aspekt senkt gleichzeitig die Treibhausgasemissionen um bis zu 95 Prozent. Rund 40 Prozent der Emissionen entfallen in Deutschland aktuell noch auf den Strommarkt. Das Umweltbundesamt kommt des Weiteren zu dem Schluss, dass es auch in einem »hoch entwickelten Industrieland« möglich sei, mit dem heutigen Lebensstil und Konsumverhalten die Komplettumstellung bis 2050 zu schaffen. Allerdings müssen mögliche Einsparpotenziale genutzt werden. Zugleich ist es notwendig, klare Zwischenziele aufzustellen, um den Fortschritt nachzuhalten.
Natürlich reicht es nicht, einzig neue Positionen vorzugeben und so weiterzumachen, wie bisher. In Deutschland gestaltet sich der Ausbau erneuerbarer Anlagen oft schwierig und langwierig:
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Windkraftanlagen – die durchschnittliche Zeitspanne, um eine einzige Windkraftanlage zu bauen, beträgt in Deutschland sieben Jahre. Planungsverfahren lassen den Prozess ins Stocken geraten, selbst das neu ausgegebene 2-Prozent-Ziel der zur Verfügung gestellten Landflächen wird bislang nicht eingehalten. Insbesondere die bürokratischen Hürden verhindern das schnelle Vorankommen. Zuletzt wurde jedoch berichtet, dass die Beantragungsverfahren deutlich verändert werden sollen. So heißt es, dass Einwände aufgrund des Naturschutzes weniger Einfluss auf die Genehmigung haben sollen.
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PV-Anlagen - ab einer gewissen Leistungsfähigkeit kommt das Beantragungsverfahren ins Stocken. Wie Berichte zeigen, dürfen über 1.000 Solaranlagen aktuell nicht ans Netz. Das trifft sowohl Privatverbraucher als auch Unternehmen, denen die letzte Bewilligung, die Anlage ans Netz zu stellen, fehlt.
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Biogasanlagen - zwar wurden die Regelungen zur Leistungsfähigkeit zuletzt verändert, doch nur für neue Anlagen. In der Folge stehen weiterhin Biogasanlagen nur eingeschränkt zur Verfügung, obwohl sie Energie erzeugen könnten.
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Speichermedien – für die Energieneutralität sind Stromspeicher notwendig. Sie dürfen nicht rein als Wasserspeicher verstanden werden, sondern müssen ebenfalls lokal vorhanden sein. Im Idealfall hätte jedes Haus und Betrieb ein eigenes Speichermedium, um selbst erzeugte, noch nicht genutzte Energie zwischenzuspeichern. Diese Lösungen sind zwar vorhanden, doch kostspielig. Allerdings wird längst gezielt an Stromspeichern auf Wasserstoffbasis geforscht. Einige Modelle können schon heute erworben werden. In einem Eigenheim kann mit Hilfe des Speichers und der eigenen Stromerzeugung eine Unabhängigkeit von über neunzig Prozent erreicht werden.
Gerade die bürokratischen Hürden schrecken viele Betriebe aber auch Privatverbraucher ab, sich gezielt mit erneuerbaren Energien und deren Gewinnung auseinanderzusetzen. Faktisch ist es gerade größeren Betrieben nicht zuzumuten, zwar die Kosten für die Installation der Anlagen zu tragen, dann jedoch auf eine Genehmigung warten zu müssen, während die voll installierte und angeschlossene Anlage nicht genutzt werden kann.
Doch auch der Umgang mit der Energie darf nicht vernachlässigt werden, wenn das Ziel der Neutralität im Jahr 2050 eingehalten werden soll. Diesbezüglich ist es fatal, nur auf die Bevölkerung zu schauen, denn für die Neutralität sind insbesondere große, energieintensive Industrien und Gewerbe gefragt.
Deutschland kann laut mehreren Studien im Jahr 2050 vollständig klimaneutral sein und auf erneuerbare Energien bei der Stromversorgung setzen. Dieses Ziel ist nur mit großem Aufwand und dem Willen, Änderungen zu entwerfen und umzusetzen, erreichbar.
Wie weitreichend die Folgen der Klimakrise, inklusive der daraus resultierenden Kosten, bei einem deutlichen Verfehlen des 1,5-Grad-Ziels sein werden, lässt sich nicht mit endgültiger Sicherheit sagen. Deutschland als stark emittierende Industrienation steht aber in jedem Fall mit in der Verantwortung, die Auswirkungen zu minimieren.
Maßgeblich ist eine Veränderung der Genehmigungsverfahren und der bürokratischen Hürden, die stark ausbremsen. Zugleich muss die Entwicklung bezahlbarer und nutzbarer Energiespeicher vorangetrieben werden, damit erzeugte ungenutzte Energie zwischengelagert werden kann, ohne zu verfallen.
Die Studienergebnisse klingen vorsichtig optimistisch, doch dürfen kritische und zweifelnde Stimmen keinesfalls verdrängt werden. Denn eines ist sicher: Deutschland muss im Energiebereich unabhängig werden und die Unabhängigkeit wird sich positiv auf die Einhaltung der Klimaziele auswirken.