Robert Klatt
In den letzten sechs Monaten mussten 10,3 Millionen Menschen aufgrund von Unwettern ihre Heimat verlassen. In den kommenden wird diese Zahl durch das Bevölkerungswachstum und den Klimawandel drastisch steigen.
Zürich (Schweiz). Klimabedingte Unwetter haben laut Daten der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in den letzten sechs Monaten 10,3 Millionen Menschen zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen. Dies sind viermal mehr als im gleichen Zeitraum durch Konflikte und Kriege zur Flucht getrieben wurden. Die Hauptursache diese Vertreibungen sind Überschwemmungen, wie zum Beispiel die kürzliche Jahrhundertflut in Ostaustralien, vor der zehntausende Menschen flüchten mussten.
Wissenschaftler der ETH Zürich unter Leitung der Professur für Wetter- und Klimarisiken haben nun ermittelt, welche Vertreibungsrisiken durch Überflutungen in Zukunft entstehen, welchen Einfluss der Klimawandel darauf hat und wie sozioökonomische und demografische Faktoren diese Risiken beeinflussen.
Laut ihrer Publikation in den Environmental Research Letters zeigen verschiedene Klima-, Hydrologie- und Bevölkerungsverteilungsmodellen, dass überflutungsbedingte Vertreibungen pro Grad globaler Erwärmung gegenüber dem Jahr 2010 um über 50 Prozent steigen, wenn die Bevölkerungszahl auf dem Stand des Jahres 2021 stabil bleibt.
Behält die Weltbevölkerung hingegen ihre aktuelle Wachstumsrate bei, steigt das Vertreibungsrisiko bis Ende des Jahrhunderts global im Mittel um mehr als 110 Prozent, wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens, also eine Erderwärmung um maximal zwei Grad Celsius, eingehalten werden.
Sollte der Klimawandel hingegen ungebremst weiterlaufen und die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehen, wird das Vertreibungsrisiko durch Überschwemmungen bis Ende des Jahrhunderts um 350 Prozent steigen.
Die Studie zeigt überdies, dass die kommenden Risiken durch eine kluge Raum- und Stadtplanung sowie durch Schutzbauten minimiert werden könnten. „Unsere Erkenntnisse machen deutlich, dass wir rasch handeln müssen, sowohl bei der Bekämpfung der Klimaerwärmung als auch bei Anpassungsmassnahmen, um künftige Risiken insbesondere für verletzliche Bevölkerungsgruppen zu verringern“, erklärt Pui Man Kam.
„Oft treffen Überschwemmungen die sozioökonomisch verwundbarsten Gruppen, da diese oft in Gegenden siedeln, die vor Naturkatastrophen schlecht geschützt sind. Weil Überschwemmungen der wichtigste Faktor für Vertreibungen sind, und weil Hochwässer durch den Klimawandel stark beeinflusst werden, müssen wir zwingend mehr darüber wissen, wie sich die Risiken verändern“, betont Kam.
Environmental Research Letters, doi: 10.1088/1748-9326/abd26c