Robert Klatt
Der antarktische Zirkumpolarstrom (ACC), die stärkste Meeresströmung der Erde, verliert durch den Klimawandel stark an Geschwindigkeit. Es kann dadurch zu größeren Klimaschwankungen, Wetterextremen in mehreren Regionen und einer noch schnelleren Erwärmung kommen.
Sydney (Australien). Der antarktische Zirkumpolarstrom (ACC) ist rund viermal so stark wie der Golfstrom und die stärkste Meeresströmung der Erde. Er bewegt über 100 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde und tauscht dabei Wärme, CO₂ und Biomasse zwischen dem Atlantik, dem Pazifik und dem Indischen Ozean aus. Forscher der University of New South Wales (UNSW) haben nun entdeckt, dass der Klimawandel den Zirkumpolarstrom auf eine andere Art beeinflusst, als in der Wissenschaft bisher angenommen wurde.
Laut der Publikation im Fachmagazin Environmental Research Letters führen die höheren Temperaturen dazu, dass das Eis der Antarktis schneller schmilzt und mehr Schmelzwasser in das Meer einströmt. Das Strömungsmodell Access-OM2-01, das detaillierte Simulationen der komplexen Meeresströmungen ermöglicht, zeigt, dass der Zirkumpolarstrom sich bei weiterhin hohen CO₂-Emissionen und einem ungebremsten Klimawandel bis 2050 um etwa ein Fünftel verlangt.
„Ozeanmodelle waren in der Vergangenheit nicht in der Lage, die kleinskaligen Prozesse, die die Stärke der Strömung steuern, angemessen zu beschreiben. Dieses Modell berücksichtigt solche Prozesse und zeigt einen Mechanismus auf, durch den sich die ACC in der Zukunft verlangsamen dürfte. Es sind jedoch weitere Beobachtungs- und Modellierungsstudien in dieser schlecht dokumentierten Region erforderlich, um die Reaktion der Strömung auf den Klimawandel endgültig zu klären.“
Ältere Studien, die noch auf deutlich schlechten Strömungsmodellen basieren, lieferten deutlich andere Ergebnisse, laut denen der Klimawandel sogar dazu führen könnte, dass der Zirkumpolarstrom schneller wird.
Die Forscher erklären, dass der Ozean ein sehr komplexes System ist. Eine deutliche Abschwächung des Zirkumpolarstroms hat deshalb weitreichende Folgen, die deutlich über die Antarktis hinausgehen.
„Der Ozean ist äußerst komplex und fein ausbalanciert. Wenn dieser derzeitige 'Motor' zusammenbricht, könnte das schwerwiegende Folgen haben, einschließlich größerer Klimaschwankungen mit stärkeren Extremen in bestimmten Regionen und einer beschleunigten globalen Erwärmung, da die Fähigkeit des Ozeans, als Kohlenstoffsenke zu fungieren, abnimmt.“
Neben den klimatischen Auswirkungen würde eine Abschwächung der Meeresströmung auch dazu führen, dass sich das lokale Ökosystem stark verändert. Derzeit ist der Zirkumpolarstrom eine natürliche Grenze, die das Eindringen von invasiven Arten verhindert. Wenn die Meeresströmung deutlich abnimmt, könnten etwa die Seetang-Art Durvillaea antarctica sowie unterschiedliche Garnelen und Weichtiere die Antarktis erreichen. Dadurch könnte die Nahrungsgrundlage der Pinguine beeinflusst werden.
Laut den Forschern zeigt die Simulation, dass der Zirkumpolarstrom sich auch bei einer deutlichen Reduzierung der CO₂-Emissionen verlangsamen würde, jedoch weniger als bei gleichbleibenden oder steigenden Emissionen.
„Das Pariser Abkommen von 2015 hatte zum Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Viele Wissenschafter sind sich einig, dass wir dieses 1,5-Grad-Ziel bereits erreicht haben und es wahrscheinlich noch heißer werden wird, was Auswirkungen auf die Eisschmelze in der Antarktis haben wird.“
Angesichts der potenziellen Folgen sprechen sich die Wissenschaftler für eine Begrenzung der globalen Erwärmung aus.
„Konzertierte Anstrengungen zur Begrenzung der globalen Erwärmung durch die Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen könnten das Abschmelzen verringern.“
Environmental Research Letters, doi: 10.1088/1748-9326/adb31c