Robert Klatt
Im urbanen Raum leben immer mehr Ratten. Gründe dafür sind der Klimawandel und die Zunahme der menschlichen Bevölkerung in den Großstädten.
Richmond (U.S.A.). Menschen besiedeln nahezu alle Lebensräume, in denen auch Menschen vorkommen. In den U.S.A. sind die opportunistischen Nager, die die Nahrungsreste und die Infrastruktur des Menschen nutzen, jährlich für Schäden in einer Höhe von 27 Milliarden US-Dollar verantwortlich, unter anderem weil sie Lebensmittel verunreinigen und landwirtschaftliche Erträge zerstören. Außerdem können Ratten zahlreiche Krankheitserreger übertragen, darunter laut einer Studie der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) auch multiresistente Bakterien.
Viele Städte versuchen deshalb, die Rattenpopulationen zu begrenzen. Nun haben Forscher der University of Richmond (UR) untersucht, wie sich die Rattenanzahl in 16 Städten in den letzten zwölf Jahren entwickelt hat. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances haben sie dazu Daten zu öffentlichen Beschwerden über Ratten sowie offizielle Inspektionsdaten ausgewertet.
Die untersuchten Städte waren Washington D.C., San Francisco, New York City, Oakland, Buffalo, Chicago, Boston, Kansas City, Cincinnati, Dallas, St. Louis, Louisville und New Orleans aus den U.S.A. sowie Toronto (Kanada), Amsterdam (Niederlande) und Tokio (Japan), also auch Städte, die zu den größten Metropolregionen der Erde gehören.
In elf der 16 Städte (69 %) ist die Rattenpopulation in den letzten zehn Jahren deutlich gewachsen, besonders stark in Washington D.C., New York und Amsterdam. Lediglich in drei Städten, nämlich Tokio, Louisville und New Orleans, ist die Anzahl der Ratten gesunken, während es in Dallas und Saint keine signifikanten Veränderungen gab.
Die Wissenschaftler haben zudem untersucht, welche Faktoren die Zunahme der Rattenpopulation verursacht haben. Der Populationszuwachs geht demnach hauptsächlich auf den Klimawandel und die dadurch steigenden Temperaturen (40,7 %), die geringere Vegetationsdichte (34,3 %) und die höhere Bevölkerungsdichte bei Menschen (19,4 %) zurück. Die Rolle des Klimawandels ist so hoch, weil die Ratten aufgrund ihrer kleinen Körper besonders stark von den höheren Temperaturen profitieren.
„Als kleine Säugetiere müssen Ratten die innere Homöostase ihres Körpers aufrechterhalten und sind im Winter durch kalte Temperaturen eingeschränkt.“
In nördlichen Städten wie New York schwankt die Rattenpopulationen im Jahresverlauf aktuell noch stark, während in tropischen und subtropischen Städten die Population konstant bleibt. Wenn die Winter auch in höheren Breitengraden immer milder werden, entstehen in den dortigen Städten mehr Wärmeinseln, in denen Ratten auch im Winter überleben können.
„Das kann das saisonale Fenster für die oberirdische Nahrungssuche und die aktive Fortpflanzungszeit von Ratten verlängern und so das Populationswachstum fördern.“
Eine Studie der Weltbank prognostiziert, dass die urbane Bevölkerung bis 2050 um rund ein Viertel wachsen wird. Dies ist ebenfalls positiv für die Rattenpopulationen, weil die Tiere so leichter Nahrung finden können.
„Die wachsende menschliche Bevölkerung und die Verstädterung werden wahrscheinlich auch mehr Lebensmittelabfälle als Ressource und strukturelle Lebensräume bereitstellen, die Rattenpopulationen unterstützen.“
Wie die Forscher erklären, können die Ursachen der zunehmenden Rattenplage kaum bekämpft werden. Sie denken deshalb, dass die Rattenpopulationen am besten dadurch reduziert werden können, in dem die städtische Umgebung so rattenunfreundlich wie möglich wird. Sinnvolle Maßnahmen sind etwa rattensichere Müllcontainer und die Beseitigung von Materialien, in denen die Tiere ihren Unterschlupf bauen können. Zudem sollten betroffene Städte sich an Städten orientieren, die bereits ihre Rattenplage reduzieren konnten.
„Die mit der Nagetierbekämpfung beauftragte Abteilung in New Orleans führt beispielsweise eine proaktive Überwachung der Rattenaktivität durch und hat ihre Bemühungen verstärkt, andere städtische Abteilungen und Einwohner in die Aufklärung und Kontrollmöglichkeiten einzubeziehen. In Tokio gibt es hohe kulturelle Erwartungen an die Hygiene, die Sanitärstandards fördern.“
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.ads6782