Robert Klatt
Kobalt ist für die Industrie ein wichtiger Rohstoff, der etwa in Akkus für Elektroautos verbaut wird. Trotzdem erfolgt der Abbau des Metalls unter sozial- und ökologisch extrem schlechten Bedingungen.
Evanston (U.S.A.). Das ferromagnetisches Übergangsmetall Metall Kobalt steckt in vielen Industrieprodukten, darunter etwa Akkus und Batterien für Elektroautos. Gefördert wird der wichtige Rohstoff größtenteils in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), die zu den ärmsten Ländern gehört. Wissenschaftler der Northwestern University (NU) haben nun untersucht, welche sozialen und ökologischen Folgen der Kobaltabbau hat.
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin One Earth stammt mehr als die Hälfte des global geförderten Kobalts aus Katanga im Süden der DR Kongo. Etwa drei Viertel des Kobalts werden dort industriell gefördert, der Rest durch etwa 110.000 bis 150.000 Arbeiter im Kleinbergbau.
Besonders beim Kleinbergbau, den die Wissenschaftler im Detail in der Provinz Lualaba untersuchten, herrscht laut der Studie eine „Wildwest-Mentalität“, bei der keine sozialen, arbeitsrechtlichen, gesundheitlichen oder ökologischen Standards eingehalten werden.
Erlaubt ist der Kobaltabbau nur in Bergbauzonen, die die Zentralregierung auszeichnet. Die zahlreichen Arbeiter im Kleinbergbau suchen das wertvolle Mineral jedoch auch in oft spontan gegrabenen und ungesicherten Schächten und Stollen am Rand dieser Gebiete, in denen extrem problematische Arbeits- und Lebensbedingungen herrschen.
„Man könnte meinen, Bergbau bedeute, einfach nur etwas auszugraben. Aber sie graben nicht auf freiem Land. Es wird Wohnland umgegraben. Die Menschen graben buchstäblich Löcher in ihren Wohnzimmern“, erklärt Sera Young.
Eigentlich sollen Kooperativen, die den Großteil des Kleinbergbaus in Lualaba kontrollieren, sicherstellen, dass Mindeststandards bei den Arbeits- und Lebensbedingungen eingehalten werden. Die von Investoren oder lokalen Händlern gegründeten Vereinigungen, in denen Arbeiter aus dem Kleinbergbau für etwa 15 Euro pro Jahr Mitglied werden können, kommen dieser Aufgabe aber oft nicht nach.
Außerdem lassen sich Arbeiter, die in Kooperativen organisiert sind, nur schlecht von den „freien“ Arbeitern abgrenzen, weil beide Gruppen auf der Suche nach den besten Vorkommen oft ihren Standort wechseln.
Die selbstständige Suche nach neuen Vorkommen des Erzes ist nötig, weil auch in Kooperativen keine festen Löhne bezahlt werden. Das Einkommen der Menschen hängt also davon ab, wie viel Kobalt sie mit meist einfachen Handwerkzeugen abbauen können. Die Arbeit in den bis zu 30 Meter tiefen Schächten erfolgt laut der Studie ausschließlich durch Männer. Frauen und Kinder arbeiten hingegen oberirdisch. Sie waschen etwa die abgebauten Erze in Gewässern, die dadurch stark belastet werden.
„Die Bezahlung hängt ausschließlich von der geförderten Menge Kobalt ab und vom Marktpreis für einen 25-Kilo-Sack. Bergleute arbeiten oft so lange sie können (manchmal Tag und Nacht), um ihr Einkommen zu erhöhen“, erklären die Wissenschaftler.
Ein typischer 25-Kilogramm-Sack mit kobalthaltigem Erz bringt einem Arbeiter bei einem Kobaltgehalt von 1,5 Prozent in einer Kooperative etwa 25 Euro. Arbeiter, die kein Mitglied einer Kooperative sind, können zwar einen etwas höheren Preis erzielen, müssen aber selbst einen Abnehmer finden und nach neuen Vorkommnissen suchen.
Die Studie zeigt überdies, dass in Regionen mit Kobaltvorkommen die Umsiedlung von Menschen und die Enteignung von Land zum Alltag gehören. Das Land der Menschen gehört in der Regel der jeweiligen Kommune, deren Anführer durch Bergbauunternehmen jedoch mit Geld, Geschenken oder anderen Angeboten beeinflusst werden.
Weil die meisten Bewohner den Besitzanspruch auf ein Grundstück nicht mit Dokumenten belegen können, erfolgt deren Enteignung ohne Entschädigung. „Das ist unser Land, wir haben immer hier gelebt. Manche Leute fälschen Besitzdokumente, nicht nur um an die Entschädigungszahlung zu kommen, sondern auch, um uns unser Land wegzunehmen“, erklärt ein Bewohner des Ortes Kasulo den Forschern.
Weil die Einkommen im Kobaltbergbau für Verhältnisse der DR Kongo relativ hoch sind, ziehen viele Menschen von außerhalb in die ertragreichen Regionen. Der dortige Siedlungsbau führt laut Berichten zu weiteren Konflikten, die oft in Gewalt enden.
„Gewalt ist gängig und beeinflusst die Lebensbedingungen in Lualaba negativ. Während unseres Aufenthalts berichteten Teilnehmer von Konflikten zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, vor allem zwischen Wanderarbeitern und lokalen Bewohnern“, berichten die Forscher.
Auch die Gesundheit und Umwelt wird durch den Kobaltabbau negativ beeinflusst. Böden, Luft und Wasser sind bereits in vielen Regionen verseucht. Verantwortlich dafür ist hauptsächlich das Waschen des Erzes in lokalen Flüssen und Seen. Außerdem wird auch das Ackerland durch Gifte und Schadstoffe des Kobaltabbaus häufig unfruchtbar. Mittel- und langfristig sinken die landwirtschaftlichen Erträge dadurch stark.
One Earth, doi: 10.1016/j.oneear.2021.11.007