Robert Klatt
Der Feinstaub von Kohlekraftwerken ist deutlich gesundheitsschädlicher, als lange angenommen wurde. In den U.S.A. haben die Kraftwerke zwischen 1999 und 2020 mehr als 460.000 Todesfälle verursacht.
Fairfax (U.S.A.). Kohlekraftwerke große Mengen an CO₂ und Feinstaub aus, die sowohl den Klimawandel beschleunigen als auch der Gesundheit des Menschen schaden. Eine Studie der Eidgenössischem Technischem Hochschule Zürich (ETH) zeigte kürzlich, dass ein Großteil dieser unerwünschten Nebenwirkungen auf veraltete Kraftwerke in Indien, Russland und Osteuropa entfällt.
Bei der Berechnung, wie stark Kohlekraftwerke die Gesundheit der Menschen beeinflussen, ist die Wissenschaft bisher davon ausgegangen, dass ihre Feinstaubpartikel genauso schädlich sind wie identisch großer Feinstaub aus anderen Quellen. Forscher der George Mason University (GMU) um Lucas Hennemann haben nun eine Studie publiziert, laut dem diese Annahme falsch ist.
„PM2,5 aus Kohle ist jedoch viel schädlicher als gedacht und die verursachte Sterblichkeitsbelastung wurde erheblich unterschätzt.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Science haben die Wissenschaftler für ihre Studie die Feinstaub- und Schwefeldioxidemissionen von 480 Kohlekraftwerken in den U.S.A. für den Zeitraum von 1999 bis 2020 erfasst. Diese Daten haben sie mit den historischen Wetterdaten kombiniert, um zu ermitteln, wie sich die Abgase ausgebreitet haben.
Anschließend haben die Forscher ihre Erkenntnisse mit Daten von Medicare kombiniert. Dies ist die Krankenversicherung für über 65-Jährige, die auch den Gesundheitszustand der versicherten Personen erfasst. Dabei konzentrierten sich die Autoren auf allem auf Wohnort und Sterbedaten. Die Analyse berücksichtigte zudem Faktoren wie Alter, Geschlecht, Vorerkrankungen und sozioökonomischen Status.
Durch die Verbindung dieser Informationen mit Daten zu Emissionen aus Kohlekraftwerken und lokaler Feinstaubbelastung konnte das Team den Anteil der Todesfälle ermitteln, der wahrscheinlich auf Luftverschmutzung zurückzuführen ist.
„Insgesamt 460.000 Todesfälle bei Amerikanern über 65 Jahren waren auf PM2,5 aus Kohle zurückzuführen.“
Laut der Studie erhöht der schwefelhaltige Feinstaub aus Kohlekraftwerken das Sterberisiko im Vergleich zu Feinstaub aus anderen Quellen etwa doppelt so stark. Besonders betroffen sind die östlichen Bundesstaaten der USA, die durch hohe Bevölkerungsdichte und ihre traditionelle Abhängigkeit von Kohlestrom gekennzeichnet sind.
Die Studie verdeutlicht nicht nur die Schädlichkeit der Kohlekraftwerke, sondern zeigt auch, dass die Luftverschmutzung in abnimmt. Die Anzahl der kohlebedingten Todesfälle, die 1999 ihren Höchststand erreichten, hat sich bis zum Jahr 2020 stark verringert (- 95 %). Diese signifikante Reduktion ist hauptsächlich dem Einbau von Abgasreinigungsanlagen in Kohlekraftwerken sowie deren Stilllegungen zuzuschreiben. Corwin Zigler, Co-Autor von der Harvard University, sieht darin eine positive Entwicklung.
„Ich betrachte das als eine Erfolgsgeschichte. Kohlekraftwerke waren eine große Belastung, die durch die US-Politik bereits erheblich reduziert werden konnte. Aber wir haben die Belastung nicht vollständig beseitigt. Diese Studie liefert uns ein besseres Verständnis dafür, wie sich die Gesundheit weiter verbessern und Leben gerettet werden können, wenn wir uns weiter in Richtung einer sauberen Energiezukunft bewegen.“
Experten prognostizieren, dass Kohle im globalen Energiemix in den kommenden Jahren weiterhin eine bedeutende Rolle spielen wird. In Europa, einschließlich Deutschland, beobachtet man eine verstärkte Hinwendung zur Kohle. Dieser Trend begründet sich vor allem durch den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine, der zu Ausfällen und deutlichen Preissteigerungen bei anderen fossilen Energieträgern wie Erdöl und Erdgas geführt hat.
„Unsere Ergebnisse können politischen Entscheidungsträgern und Regulierungsbehörden dabei helfen, kosteneffiziente Lösungen für die Luftreinhaltung zu finden, indem sie beispielsweise Emissionskontrollen vorschreiben oder die Versorgungsunternehmen dazu ermutigen, andere Energiequellen, wie etwa erneuerbare Energien, zu nutzen.“
Science, doi: 10.1126/science.adf491