Robert Klatt
Bei einer Studie, die untersuchte, wie Mikroplastik sich im Meer verbreitet, entdeckten Wissenschaftler im Tyrrhenischen Meer eine neue Rekordansammlung der kleinen Partikel.
Manchester (England). Mikroplastik verbreitet sich dank seines geringen Gewichts mühelos über die Luft und das Wasser. Die kleinen Plastikpartikel verschmutzen so die Weltmeere und gelangen über Lebensmittel wie zum Beispiel Salz in den menschlichen Körper, der in Abhängigkeit von den Lebensgewohnheiten bis zu 200.000 Mikroplastikteilchen pro Jahr aufnimmt. Die Folgen des Problems, das unter anderem durch den Schonwaschgang von Waschmaschinen ausgelöst wird, für die Umwelt und die Gesundheit von Tieren, Pflanzen und des Menschen sind bis heute ungeklärt.
Wissenschaftler der University of Manchester haben sich nun näher damit beschäftigt, wie Mikroplastik sich in den Ozeanen verteilt. Bisher war lediglich bekannt, dass etwa ein Prozent des Plastikmülls im Meer an der Oberfläche verbleibt und die übrigen 99 Prozent in die Tiefsee absinken.
Laut einer These, der im Fachmagazin Science erschienenen Studie gingen die Wissenschaftler um Ian A. Kane davon aus, dass vor allem bodennahe Meeresströmungen das Mikroplastik verteilen und so in Untersee-Canyons und Tiefseegräben die Kontamination konzentrieren.
Zur Verifikation dieser Annahme analysierten die Forscher den Meeresboden zwischen Korsika und dem italienischen Festland. Das Tyrrhenische Meer eignet sich laut den Studienautoren besonders gut als Forschungsgebiet, weil die Topografie des Meeresbodens und die Strömungen nahe dem Boden bereits genau erforscht sind und somit Grundlagendaten bereitstellen. Außerdem ist das Meeresgebiet repräsentativ für verschiedene andere Regionen der Weltmeere, die ähnlich aufgebaut sind.
Obwohl die Wissenschaftler bereits in ihrer These davon ausgingen, dass einzelne Regionen überdurchschnittlich stark mit Mikroplastik belastet sind, überraschten sie die tatsächlichen Ergebnisse. Wie Kane erklärt, „waren die Forscher geschockt von den gefundenen Konzentrationen im Meeresgrund.“ In besonders stark kontaminierte Regionen zählten die Wissenschaftler bis zu 190 Mikroplastikpartikel pro 50 Gramm Meeresboden. Dies entspricht etwa 1,9 Millionen Plastikteilchen pro Quadratmeter Meeresgrund.
Wie die Studienautoren berichten, „übertreffen diese Konzentrationen die höchsten jemals gefundenen Werte, selbst diejenigen aus Tiefseegräben und sind doppelt so hoch wie bisher in Untersee-Canyons gemessen.“ Messungen in der Nähe der Küste belegen, dass eine besonders hohe Belastung der Uferregionen durch den Menschen als Ursache auszuschließen ist. Das Mikroplastik muss sich also durch die Strömung des Meeres an den stark verunreinigten Stellen angereichert haben.
Laut Kane „konnten die Wissenschaftler feststellen, dass das Mikroplastik nicht gleichmäßig im Studiengebiet verteilt ist, sondern stattdessen von starken Tiefenströmungen an bestimmten Stellen konzentriert wird.“ Es handelt sich dabei um den ersten eindeutigen Beleg dieses Vorgangs.
Strömungen in der Tiefsee transportieren also nicht nur Nährstoffe und sauerstoffreiches Wasser über weite Strecken, sondern sorgen auch dafür, dass Mikroplastik sich in bestimmten Regionen konzentriert ablagert. Florian Pohl, Co-Autor von der Durham University konstatiert daher, dass „damit Plastik leider zu einem neuen Typ von Sedimentpartikel geworden, das gemeinsam mit Sand, Schlamm und Nährstoffen über den Meeresgrund verteilt wird.“
Science, doi: 10.1126/science.aba5899