Robert Klatt
Chemische Insektizide töten Bienen, verseuchen die Umwelt und führen auch beim Menschen zu Gesundheitsschäden. Imidacloprid, das zum Schutz der Weizenernte verwendet wird, kann durch Naturstoffe ersetzt werden.
Müncheberg (Deutschland). In der Landwirtschaft und Lagerhaltung werden schädliche Insekten hauptsächlich mit Insektiziden bekämpft. Die Europäische Union (EU) hat den Einsatz einiger besonders umstrittener Mittel inzwischen aber verboten, weil diese die Umwelt belasten, Ameisenkolonien verkleinern, Bienen töten und auch beim Menschen Gesundheitsschäden verursachen können.
Die Wissenschaft sucht deshalb nach ungefährlichen, aber trotzdem wirksamen Alternativen zu herkömmlichen Pestiziden. Helfen sollen dabei unter anderem Pheromone (Botenstoffe zur Informationsübertragung).
Wissenschaftler der Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut in Müncheberg haben nun in Kooperation mit Forschern Agaruniversität Pakistan und der Agaruniversität Athen einen neuen Ansatz vorgestellt, der das Insektizid Imidacloprid ersetzen können. Imidacloprid wird hauptsächlich zum Schutz von geernteten Weizen verwendet, ist aber schädlich für Vögel und Bienen.
Thomas Schmitt: „Aktuell löst man diese Herausforderung häufig mit chemischen Insektiziden wie Imidacloprid, einem systemischen Insektizid aus der Gruppe der Neonicotinoide.“
Laut einer Publikation im Fachmagazin Environmental Science and Pollution Research haben die Wissenschaftler dazu in Laborversuchen untersucht, ob Naturstoffe das Insektizid ersetzen können.
Waqas Wakil: „Wir haben die Behandlung mit Kieselerde, dem Insekten tötenden Pilz Beauveria bassiana und dem Insektizid Imidacloprid sowie Zweier-Kombinationen dieser drei Schutzmittel über verschiedene Zeiträume getestet und verglichen wie viele und welche Schadinsekten nach der Behandlung überlebten.“
Erprobt wurde die Wirksamkeit der drei Naturstoffe an den gängigen Vorratsschädlingen Rotbraunen Leistenkopfplattkäfer (Cryptolestes ferrugineus), Staublaus (Liposcelis paeta), Rotbraunen Reismehlkäfer (Tribolium castaneum) und Getreidekapuziner (Rhyzopertha dominica).
Dabei fanden die Forscher heraus, dass eine Kombination aus Pilzen mit Kieselerde die besten Ergebnisse liefert und in den ersten 90 Tagen die Mortalitätswerte gegen alle untersuchten Vorratsschädlinge besitzt.
Thomas Schmitt: „Die Kombination der verschiedenen Wirkstoffe – Insektizid und Pilz sowie Kieselerde und Pilz – führte zu einem besseren Ergebnis als der Einsatz eines einzelnen Mittels. Dies war zu erwarten. Überrascht hat uns aber die Langzeitwirkung der eingesetzten Präparate.“
Zu Beginn der Testreihe lieferte eine Kombination aus Imidacloprid und Beauveria bassiana die beste Wirkung, im Zeitverlauf konnten die Kombination aus Kieselerde und Pilzen aber gleichziehen.
Thomas Schmitt: „Ab einer Lagerungsdauer von 150 bis 180 Tagen war der mit Kieselerde und Beauveria behandelte Weizen sogar am wenigsten mit Schädlingen befallen.“
Die hohe Wirksamkeit der Naturstoffkombination kommt laut der Studie dadurch zustande, dass die Sporen des Beauveria-Pilzes auf der Haut der Vorratsschädlinge anheften und diese nach der Keimung durchdringen. Die Pilze breiten sich im Körper des Wirtes aus und töten diesen von innen. Für den Menschen und andere Wirbeltiere ist der parasitische Pilz hingegen ungefährlich. Die zusätzliche eingesetzte Kieselerde führt zu Verletzungen und zur Austrocknung der Insekten.
Nickolas Kavallieratos: „Für Insekten ist diese Substanz aber sehr unangenehm: Sie nimmt durch direkten Kontakt Fettmoleküle von den Oberflächen der Insekten auf, was zu deren Tod durch Austrocknung führt. Auch verletzten die spitzen Kristalle vor allem die weichhäutigen Larven, aber auch die robusteren erwachsenen Tiere.“
Die Langzeitstudie zeigt somit, dass die Naturstoffkombination sich zum Schutz von länger lagernden Getreide eignet und dass diese chemische Insektizide ersetzen kann.
Thomas Schmitt: „Getreide wird häufig über ein halbes Jahr gelagert – die von uns getesteten, natürlichen Schädlingsbekämpfungsmittel könnten demnach eine gute Alternative zu chemischen Insektiziden sein.“
Environmental Science and Pollution Research, doi: 10.1007/s11356-020-12304-8