Robert Klatt
Offshore-Windparks wirken sich negativ auf die Bestände von manchen Wasservögeln aus. Die Forscher gehen davon aus, dass die Nahrungssuche der Vögel durch die Anlagen beeinträchtigt wird.
Kiel (Deutschland). In der Nord- und Ostsee sind laut dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mehr als 1.500 Offshore-Windkraftanlagen installiert. Eine Studie zeigte kürzlich, dass deren Korrosionsschutz giftige Metalle wie Blei freisetzt, die sich im Meerwasser und -boden absetzen. Nun haben Wissenschaftler der Universität Kiel untersucht, ob und wie sich Windräder auf dem Meer auf Seevögeln auswirken.
Laut der Publikation im Fachmagazin Scientific Reports untersuchten die Forscher Stefan Garthe vom Forschungs- und Technologiezentrum Westküste die Auswirkungen des Baus von zwölf Offshore-Windkraftanlagen auf die Population von Seetauchern in der südöstlichen Nordsee. Die Forscher analysierten Datensätze, die zwischen 2010 und 2017 im März und April mithilfe von Schiffen und Flugzeugen erhoben wurden. Basierend auf diesen Informationen erstellten sie Modelle, die die Veränderungen in der Seetaucher-Dichte innerhalb eines Umkreises von zehn Kilometern um die jeweiligen Windkraftanlagen sowie in weiter entfernten Gebieten aufzeigten.
Die Studie zeigt, dass sich die Verteilung und Anzahl der Seetaucher infolge des Baus der Windkraftanlagen signifikant veränderte. In der direkten Umgebung der Windräder nahm die Anzahl der Vögel drastisch ab. Laut den Forschern reduzierte sich die Seetaucher-Population innerhalb eines Kilometers um die Windkraftanlagen um 94 Prozent, während sie im Umkreis von zehn Kilometern um 54 Prozent abnahm.
Besonders in den Windparkregionen Bard/Austerngrund und nördlich von Borkum war der Studie zufolge ein nahezu vollständiger Rückgang der Seetaucher zu beobachten.
„Stattdessen sammelten sich die Vögel in hoher Dichte in einem Gebiet nordwestlich der Windparks bei Helgoland.“
Eine erhöhte Vogeldichte in anderen Gebieten könnte dort zu verstärktem Wettbewerb führen. Insgesamt schätzten die Forscher, dass die Seetaucher-Population in der südlichen Nordsee um 29 Prozent von etwa 35.000 Individuen vor dem Bau der Windkraftanlagen auf weniger als 25.000 Vögel nach dem Bau zurückging.
Laut den Wissenschaftlern wiesen keine anderen Seevogelarten eine derart ausgeprägte negative Reaktion auf die Errichtung der Windkraftanlagen auf. Die Forscher vermuten, dass die Anlagen die Nahrungssuche der Seetaucher beeinträchtigen, indem ihre Lebensräume nun auf eingeschränktere Gebiete begrenzt sind.
Das Forschungsteam betont in der Studie, dass erneuerbare Energien zweifellos einen erheblichen Teil des zukünftigen Energiebedarfs abdecken sollten. Gleichzeitig appellieren sie an die Politiker, die aktuelle Biodiversitätskrise nicht zu vernachlässigen. Umfangreiche Untersuchungen verschiedener Arten an diversen Standorten könnten dazu beitragen, geeignete Meeresgebiete für Windkraftanlagen zu identifizieren, ohne den Artenschutz zu kompromittieren.
Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-023-31601-z