Verhaltensänderungen nötig

Politik sollte umweltfreundliches Verhalten gezielt fördern

Robert Klatt

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Auf den Punkt gebracht
  • Die Umweltpolitik in Deutschland hat sich bisher auf die Industrie konzentriert
  • Ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) zeigt nun, dass auch Einzelpersonen klima- und umweltfreundlicher handeln müssen
  • Das Gremium empfiehlt deshalb eine Kombination aus Anreizen und Verboten, mit denen etwa der Fleischkonsum reduziert werden soll

Die Umweltpolitik hat sich lange auf die Industrie konzentriert. Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sollte die Politik deshalb durch eine Kombination aus Anreizen und Verboten auch Verhaltensänderungen von Einzelpersonen, etwa eine Reduzierung des Fleischkonsums, gezielt fördern.

Berlin (Deutschland). In Deutschland hat sich die Umweltpolitik in den letzten Jahren auf die Produktionsprozesse der Industrie konzentriert. Ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) kam nun zu dem Ergebnis, dass nicht nur Unternehmen klima- und umweltfreundlicher handeln müssen, sondern dass der Umweltschutz nur erfolgreich sein kann, wenn man Einzelpersonen ihr Verhalten deutlich ändern.

Das siebenköpfige Gremium hat an den Beispielen Gebäudesanierung, Fleischkonsum und Nutzung von Smartphones erläutert, wie die Politik Verhaltensänderungen am besten fördern könnte.

„Die vielfältigen Umweltkrisen unserer Zeit lassen sich nur bewältigen, wenn wir die Art und Weise verändern, wie wir leben – also wohnen, konsumieren, uns fortbewegen und ernähren.“

Individuelle Verhaltensänderungen nötig

Wie das Gremium erklärt, haben umweltfreundliche Optionen der Unternehmen oft nicht den gewünschten Effekt, wenn die Nachfrage der Konsumenten dadurch nicht ebenfalls verändert wird. Wird in Deutschland die Fleischproduktion, die laut einer Studie externalisierte Kosten in Höhe von sechs Milliarden Euro pro Jahr verursacht, reduziert, kann es trotzdem passieren, dass der Fleischkonsum gleich bleibt, weil mehr Importe aus dem Ausland erfolgen. Werden diese unter schlechteren Umweltstandards produziert, können die negativen Umweltfolgen durch die Einschränkung der lokalen Fleischprodukten sogar zunehmen.

Ähnlich verhält es sich auch Smartphones und Heizungen. Die Vorteile von länger haltbaren Mobiltelefonen entfalten sich ausschließlich, sofern diese tatsächlich über einen längeren Zeitraum von den Nutzerinnen und Nutzern in Gebrauch genommen werden. Des Weiteren tragen technologische Innovationen im Bereich der umweltfreundlichen Wärmeerzeugung lediglich dann zur Verbesserung des Klimas bei, wenn die Besitzerinnen und Besitzer über die notwendigen finanziellen Ressourcen, Anreizsysteme und Informationszugänge verfügen, um die jeweiligen Neuerungen effektiv einzusetzen.

Klare Kommunikation der Politik

Wie Immanuel Stieß, Leiter des Forschungsschwerpunkts Energie und Klimaschutz im Alltag am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt am Main, erklärt, ist bei Umweltfragen eine klare und transparente Kommunikation der Politik essenziell. Deutlich wird dies unter anderem am geplanten Heizungsverbot, das die CO₂-Emissionen in Deutschland reduzieren soll.

„Um die Klimaschutzziele bis 2045 zu erreichen, müssen fast alle Gebäude angepasst werden. Diese wichtige Botschaft muss klar kommuniziert werden, was viel zu selten geschieht. Die Finanzierung ist noch nicht klar planbar. Hinzu kommt, dass angesichts langer Investitionszyklen eine Fehlentscheidung ein erhebliches Risiko bedeutet. Viele fühlen sich damit tendenziell überfordert.“

Cornelia Betsch, Leiterin der Arbeitsgruppe Gesundheitskommunikation am Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg, lobt das Gutachten des Sachverständigenrats.

„Der Ansatz ist absolut begrüßenswert und zielführend. Das Gutachten basiert auf dem Grundsatz, dass menschliches Verhalten verstanden werden muss, um es zu verändern. Die Veränderung von Verhalten muss immer im Konzert mit der Veränderung von Produktionsprozessen und politischen Rahmenbedingungen gesehen werden.“

Bisher wurden laut Betsch hingegen oft beide Richtungen gegeneinander ausgespielt. Dies führte dazu, dass sich beide Seiten aus der Verantwortung ziehen konnten.

Reduktion des Fleischkonsums

Neben den generellen Handlungsempfehlungen an die Politik beinhaltet das Gutachten auch konkrete Möglichkeiten für einen besseren Schutz der Umwelt. Lukas Fesenfeld, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, erklärt etwa, dass der Fleischkonsum durch eine Kombination von Maßnahmen wirkungsvoll reduziert werden kann.

„Im ersten Schritt können fördernde Maßnahmen – wie die Reduktion der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte und die Förderung attraktiver vegetarischer Optionen in Kantinen – den Fleischkonsum effektiv reduzieren und eine nachhaltige Esskultur stärken.“

Differenzierung zwischen Push- und Pull-Maßnahmen

Da Verbote oftmals negativ konnotiert sind, differenziert der Expertenrat in seinen Empfehlungen zwischen zwei Ansätzen: Zum einen Push-Maßnahmen, welche umweltbelastende Handlungen erschweren, und zum anderen Pull-Maßnahmen, die ökologisch verantwortungsbewusstes Verhalten fördern. Laut Gerhard Reese, Professor für Umweltpsychologie an der Universität Koblenz-Landau, ist eine Kombination dieser Maßnahmen sinnvoll.

„Wir sollten nicht von flächendeckenden Verboten reden, sondern von Regulierungen, die einzelne besonders schädliche Verhaltensweisen einschränken. Beispiele dafür sind ein Tempolimit – wie überall sonst in Europa – oder das Verbot von Kurzstreckenflügen. Solche Regulierungen betreffen oft eine Minderheit, nutzen aber der gesamten Gesellschaft und sind gerecht, weil sich niemand ›rauskaufen‹ kann.“

Andreas Ernst, der geschäftsführende Direktor des Center for Environmental Systems Research an der Universität Kassel, betont aber, dass in manchen Situationen Verbote wirksamer sind als Anreize.

„Sie stellen sicher, dass sich möglichst alle daran halten. Dies wiederum ist ein wichtiger psychologischer Faktor: Nichts ist unangenehmer als der Eindruck, man folge einem umweltfreundlichen Appell oder Anreiz, bleibt damit aber allein auf weiter Flur.“

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