Robert Klatt
Das arktische Meereis schrumpft rapide. Das Start-up Real Ice hat deshalb eine Technik entwickelt, die die Dicke der Eisschicht erhöhen kann und dadurch das Abschmelzen verhindert.
Bangor (England). Das arktische Meereis ist in den letzten Jahrzehnten durch den Klimawandel stark geschrumpft. Laut dem National Snow and Ice Data Center (NSIDC) der University of Colorado Boulder (CU Boulder) ist das mehrjährige Eis bereits um 95 Prozent zurückgegangen. Am Ende der Schmelzsaison 2024 existierten nur noch 1,48 Millionen Quadratkilometer mehrjähriges Eis.
Forscher der Pohang University of Science and Technology (POSTECH) haben laut einer Publikation im Fachmagazin Nature Communications deshalb bereits im Sommer 2023 davor gewarnt, dass die Arktis in den 2030er-Jahren ihren ersten eisfreien Sommer erleben könnte. Ein großes Problem, das durch das zurückgehende Eis entsteht, ist der Verlust der weißen Oberfläche, die normalerweise Sonnenlicht reflektiert und dadurch die Erwärmung des Planeten bremst. Wenn die Eisfläche kleiner wird, nimmt der arktische Ozean mehr Wärme auf.
Das Start-up Real Ice arbeitet deshalb mit Wasserpumpen daran, das arktische Eis zu vergrößern. Dazu pumpt das Unternehmen Wasser mit elektrisch betriebene Tauchpumpen unter dem Meereis an die Oberfläche. Das Wasser bildet dort eine große Pfütze, gefriert und wird dadurch zu einer neuen Eisschicht. Es ist geplant, dass das Start-up die Dicke einer rund einer Million Quadratkilometer großen Eisfläche erhöht. Laut Real Ice kann das arktische Meereis durch diesen Prozess wiederhergestellt werden.
Real Ice erprobt das Verfahren seit etwa zwei Jahren im Küstendorf Cambridge Bay in Nunavut (Kanada). Das Ziel war primär die Erprobung der komplexen Ausrüstung. Im Januar 2024 hat Real Ice zudem in Cambridge Bay (Kanada) in einem rund 4.000 Quadratmeter großen Testgebiet Wasser an die Oberfläche gepumpt. Die Dicke des Eises hat dadurch gegenüber dem Kontrollgebiet innerhalb von fünf Monaten um 0,50 Meter zugenommen.
Kürzlich hat Real Ice in einem 40.000 Quadratmeter großen Testgebiet in Cambridge Bay neue Versuche gestartet. Bereits nach zehn Tagen war das Eis an den Teststellen zehn Zentimeter dicker als im Kontrollgebiet. Die Forscher gehen davon aus, dass der Zuwachs bis Mai 2025 bei 0,40 bis 0,80 Meter liegen wird.
In der Wissenschaft wurde das Geoengineering von Real Ice trotz der bisher positiven Zwischenergebnisse kritisiert, weil es potenziell zu schwerwiegenden unvorhergesehenen Folgen kommen könnte. Liz Bagshaw (Universität Bristol) ist zudem der Ansicht, dass das Verfahren nicht ausreichend skaliert werden kann, um einen signifikanten Unterschied zu machen.
Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-38511-8