Robert Klatt
Die WHO hat ihren Stickoxid-Grenzwert drastisch verschärft. In vielen deutschen Städten drohen nun Fahrverbote für Autos mit Verbrennungsmotor.
Genf (Schweiz). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die empfohlenen Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide erstmals seit 15 Jahren angepasst. Laut Tamara Schikowski, Arbeitsgruppenleiterin Umweltepidemiologie am Leibniz-Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf bezeichnet gegenüber dem Science Media Center (SMC) die neuen Richtwerte als „viel niedriger als erwartet und sehr ambitioniert“.
Wie Professor Nino Künzli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut, der an der Entwicklung der neuen Grenzwerte mitgearbeitet hat, erklärt, waren die Ursache für die deutliche Verschärfung „sehr große Langzeitstudien mit zum Teil mehreren Hunderttausend TeilnehmerInnen, an denen auch Regionen mit sehr geringer Schadstoffbelastung – zum Beispiel die Schweiz – beteiligt waren.“
„Daraus ließ sich der Zusammenhang zwischen der Schadstoffkonzentration und der Gesundheit auch für Konzentrationen herleiten, welche weit unter den bisherigen Richtwerten liegen. Die Studien bestätigen, was sich vor 20 Jahren noch nicht belegen ließ: Es gibt keine 'unschädlichen Schwellenwerte' der Luftverschmutzung“, erklärt Künzli. Bestätigt wird dies unter anderem durch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Ulm, laut der bereits Feinstaub und Stickoxide unterhalb der EU-Grenzwerte die Mortalität erhöhen.
Bei den Grenzwerten der WHO handelt es sich prinzipiell nur um Empfehlungen ohne rechtliche Bindung. Das Parlament der Europäischen Union (EU) hat jedoch im März beschlossen, dass die EU-Normane an die WHO-Leitlinien angepasst werden, wenn diese aktualisiert werden. Die Grenzwerte der WHO werden sehr wahrscheinlich in Zukunft auch in Deutschland gelten.
Laut einer Analyse der Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) liegen in Deutschland mindestens 400 Gemeinden über dem neuen Stickoxid-Grenzwerte der WHO. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass viele Städte dazu gezwungen, zumindest im Innenstadtbereich die Nutzung von Autos mit Verbrennungsmotor zu verbieten, wenn die Grenzwerte der WHO gesetzlich eingehalten werden müssen.
„Die neuen WHO-Werte sind eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung und allen voran Verkehrsminister Scheuer, der noch vor zwei Jahren sogar die bislang geltenden, laxen NO2-Grenzwerte abschaffen wollte. Die Festlegungen heute sind die ultimative Warnung, dass sofort gehandelt werden muss für die Saubere Luft. Noch heute muss eine wirkliche Mobilitätswende eingeleitet werden mit unter anderem einer Halbierung der Anzahl der Autos und Verdopplung der Radwege, Holzöfen ohne Filter gehören verboten und die Massentierhaltung muss ökologisch umgebaut werden, damit weniger Ammoniak und damit Feinstaub entsteht. Nur so können Krankheit, Leid und zehntausende vorzeitige Todesfälle verhindert werden. Wir werden diesen Prozess begleiten und mit allen notwendigen Mitteln dafür sorgen, dass die Saubere Luft für Deutschland sichergestellt wird“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.