Blei in der Atemluft

Umweltverschmutzung tötet neun Millionen Menschen pro Jahr

Robert Klatt

Smog in Vietnam )moc.hsalpsnusirk(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Luft, die mit Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber belastet ist, ist pro Jahr für neun Millionen zusätzliche Todesfälle verantwortlich
  • Die Luftbelastung ist vor allem in ärmeren Ländern wie Indien hoch, weil dort kaum Umweltauflagen existieren
  • In Europa ist das Problem vergleichweise gering, weil viele problematische Industrien bereits abgewandert sind

Verschmutze Luft verursacht neun Millionen zusätzliche Todesfälle pro Jahr. In der EU ist das Problem kaum vorhanden, weil problematische Industrien in ärmere Länder wie Indien, wo kaum Umweltauflagen bestehen, abgewandert sind.

Genf (Schweiz). Eine Studie der Universität Ulm kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass Feinstaub und Stickoxide in der Atemluft jährlich etwa 1,8 Millionen zusätzliche Todesfälle verursachen. Belastete Luft ist damit eines der größten Umweltprobleme der Menschen. Dies bestätigt auch eine Studie der Global Alliance on Health and Pollution (GAHP) laut der pro Jahr mehr als neun Millionen Menschen vorzeitig durch Luft sterben, die Schwermetallen wie Blei oder Quecksilber belastet ist.

„Allerdings haben sich die Ursachen der Todesfälle durch Umweltverschmutzung gewandelt“, erklärt Stephan Böse-O'Reilly, Leiter der Arbeitsgruppe Globale Umweltmedizin und Klimawandel am LMU Klinikum. Eine frühere Analyse der GAHP kam noch zu dem Resultat, dass Luftschadstoffe aus Haushalten, Wasserverschmutzung und unzureichende sanitäre Einrichtungen die meisten zusätzlichen Todesfälle verursachen. Laut der nun im Fachmagazin The Lancet Planetary Health publizierte Studie sind inzwischen Schadstoffen in der Luft aus der Industrie, der Landwirtschaft und dem Verkehr die Hauptursache der zusätzlichen Todesfälle.

Todesfälle durch Blei

Die Untersuchung der GAHP zeigt, dass global mehr Menschen am Schwermetall Blei als an Malaria sterben. Ein Großteil der Todesfälle (90 %) entfällt auf Länder mit niedrigen oder mittleren Einkommen, in denen nur unzureichende Vorschriften zur Reinhaltung der Luft existieren oder in denen vorhandene Gesetze nicht eingehalten werden.

Am drastischsten ist die Lage laut den Autoren in Indien, wo besonders viele Menschen in Slums auf engen Raum zusammenleben. Neben der belasteten Luft ist dort auch das Trinkwasser oft stark kontaminiert. Verursacht wird die hohe Luftbelastung dort vom Verkehr und den vielen Holzkohleöfen, mit denen oft auch in Innenräumen gekocht wird.

Umweltverschmutzung in der Europäischen Union

In der Europäischen Union (EU) ist die Umweltverschmutzung laut der Studie ein vergleichsweise kleines Problem. In den letzten Jahren hat sich die Situation dort laut Böse-O'Reilly deutlich verbessert. Besonders die Luftbelastung hat durch strenge Regulierungsmaßnahmen abgenommen. „Deshalb haben wir vergleichsweise weniger Todesfälle durch Umweltbelastung, schon gar nicht durch Quecksilber oder Blei – und wenn, dann durch Feinstaub in der Außenluft“, so Böse-O'Reilly.

Industrielle Produktion in armen Ländern

Die Situation in der EU hat sich jedoch nur deshalb so positiv entwickelt, weil viele besonders problematische Industriezweige in ärmere Länder mit kaum vorhandenen Umweltauflagen ausgewandert sind. „Wenn man eine Aluminiumfabrik an der Nordsee zumacht und sie in Asien wieder öffnet, wird die damit verbundene Belastung zu einem gesundheitlichen Problem der dortigen Bevölkerung, die Produkte werden aber weiterhin von uns verwendet“, erklären die Autoren.

Böse-O'Reilly erklärt überdies, dass die Böse-O'Reilly mit dem Klimawandel korreliert, weil die Luftschadstoffemissionen dort entstehen, wo auch viel CO2 emittiert wird. „Wenn wir die CO₂-Situation verbessern würden, würde sich automatisch auch die Umweltverschmutzung verringern“, konstatiert der Wissenschaftler

The Lancet Planetary Health, doi: 10.1016/S2542-5196(22)00090-0

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