Robert Klatt
Eine weiße Spezialfarbe, die 98 Prozent des Sonnenlichts und der Infrarotwärme reflektiert, könnte den Klimawandel stoppen.
Davis (U.S.A.). Laut einer Publikation im Fachmagazin ACS Applied Materials & Interfaces haben Forscher der University in West Lafayette vor rund zwei Jahren eine weiße Farbe entwickelt, die 98 Prozent des einfallenden Sonnenlichts sowie der Infrarotwärme reflektiert. Die Farbe basiert nicht auf herkömmlichem Titandioxid, sondern verwendet Bariumsulfat, das UV-Licht nicht absorbiert. Zusätzlich ist der Anteil an Pigmenten in dieser extrem weißen Farbe höher als in traditionellen Farben und die Pigmentpartikel variieren in ihrer Größe, was die Lichtreflexion erhöht.
Es kommt dadurch zu einem signifikanten Abkühleffekt, der in Experimente eine Oberfläche um bis zu 4,5 Grad Celsius unterhalb der Umgebungstemperatur kühlen konnte. Das Team um Xiulin Ruan erklärte, dass die Farbe sich deshalb ideal für Gebäude in sehr warmen Innenstädte eignet. Weiterführende Analysen deuteten darauf hin, dass Dächer, die mit diesem speziellen Weiß bemalt wurden, unter bestimmten Bedingungen Klimaanlagen überflüssig machen könnten. Ein Dach von 93 Quadratmetern Größe würde einen solchen Kühlungseffekt von etwa zehn Kilowattstunden erzeugen.
Laut Jeremy Munday von der University of California in Davis könnte die Farbe theoretisch auch den Klimawandel stoppen. Laut seiner Publikation im Fachmagazin Joule (PDF) könnte man die globale Durchschnittstemperatur stabilisieren, wenn man ein bis zwei Prozent der Erdoberfläche mit dem Weiß bedeckt.
Es handelt sich also lediglich um eine theoretische Lösung, weil zwei Prozent der Erdoberfläche immer noch eine enorme Fläche sind und die erforderliche Menge an Farbe kaum produzierbar wäre. Die gesamte Oberfläche der Erde beträgt rund 510 Millionen Quadratkilometer. Zwei Prozent davon entsprechen etwa der Größe der U.S.A., die eine Fläche von etwa 9,8 Millionen Quadratkilometer aufweisen.
100 Quadratmeter benötigen etwa 20 Liter der Spezialfarbe, wenn diese sich wie eine herkömmliche Farbe verarbeiten lässt und für eine optimale Deckung zwei Anstriche benötigt. Um die gesamten U.S.A. anzustreichen, benötigte man also zwei Billionen Liter (2.000 Milliarden Liter) der weißen Farbe.
Ob ausreichend Bariumsulfat auf der Erde für die Herstellung dieser enormen Menge vorhanden ist, ist unklar. Diese Chemikalie wird vorwiegend aus dem Mineral Baryt gewonnen, das hauptsächlich in Ländern wie China und Indien abgebaut wird. Zudem würden die Emissionen, die beim Abbau des Minerals entstehen, den kühlenden Effekt der weißen Farbe womöglich aufheben. Die Farbtheorie von Munday bleibt somit nur eine hypothetische Überlegung.
ACS Applied Materials & Interfaces, doi: 10.1021/acsami.1c02368