Robert Klatt
Offshore-Windparks beeinflussen die Strömung und Schichtung der Nordsee. Dies verändert die Temperatur und den Salzgehalt des Oberflächenwassers.
Geesthacht (Deutschland). In Deutschland soll die Windenergie in Zukunft einen hohen Anteil an der Stromversorgung haben. Dazu sind neben Windkraftwerken an Land auch Offshore-Windparks und schwimmende Anlagen wie Nezzy2 nötig. Allein in der Nordsee soll die Kapazität deshalb bis zum Jahr 2050 auf zwischen 50 und 70 Gigawatt ausgebaut werden. Umweltschützer und ein Teil der Wissenschaft kritisieren jedoch die möglichen Folgen dieser Windkraftanlagen für die Meerestiere und das übrige Ökosystem. Überdies zeigte eine Studie kürzlich, dass Windturbine sich gegenseitig die Energie entziehen, wenn sie zu dicht hintereinander installiert werden.
Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum Hereon um Nils Christiansen haben laut einer Publikation im Fachmagazin Frontiers in Marine Science nun untersucht, ob die großen Windparks in der Nordsee die Luftströmungen und die Meeresoberfläche beeinflussen. Ausgangspunkt ihrer Studie waren Beobachtungsdaten, laut denen Windräder atmosphärisches Wirbelschleppen in bis zu 70 Kilometer Entfernung auslösen können.
„Diese Wirbelschleppen sind charakterisiert durch verringerte Windgeschwindigkeit und eine erhöhte Luftturbulenz im Bereich dieses Defizits“, so die Wissenschaftler. Ob diese Veränderungen der Atmosphäre auch das Meer beeinflussen, etwa die Wasserschichtung, Strömung oder Temperatur, war bisher unbekannt. Christiansen und sein Team analysierten deshalb Messdaten aus dem Sommer 2013 aus der südlichen Nordsee.
Laut den Daten kommt es durch das Wirbelschleppen der Windkraftanalysen tatsächlich zu Veränderungen der Wasseroberfläche. Die Luftströmungen sorgen demnach dafür, die Wasserbewegung sich um rund 0,0025 Meter pro Sekunde verändert. Dies entspricht zwischen zehn und 25 Prozent der jährlichen Schwankungsbreite in der Nordsee.
Zudem führt die verringerte Windgeschwindigkeit infolge der Windparks dazu, dass das Wasser des Meeres sich weniger gut vermischt. Dies behindert den Austausch zwischen Wasserschichten an der Oberfläche und verändert damit auch die Temperatur und Salzgehalt des Oberflächenwassers. „Die positiven und negativen Veränderungen der Oberflächensalinität reichen von den Windparks mehrere Dutzend Kilometer aufs Meer hinaus“, so die Autoren.
Überdies verursachen die Windparks in der Nordsee eine messbare Erhöhung der durchschnittlichen Wassertemperatur in ihrer Nähe. „Die mittleren Veränderungen liegen bei 0,02 bis 0,05 Grad. In der Deutschen Bucht können sie aber mehr als 0,1 Grad erreichen“, erklären die Forscher.
Die beobachteten Veränderungen sind laut den Autoren bisher gering. „Dennoch zeigen sie ähnliche Größenordnungen auf, wie die vermuteten mittleren Änderungen aufgrund des Klimawandels oder der Variabilität von Jahr zu Jahr“, so Christiansen. Außerdem ist es möglich, dass die Windparks auch die Nährstoffverteilung im oberflächennahen Meerwasser beeinflussen. Dies könnte sich negativ auf die Planktongemeinschaften in der Nordsee, also die Grundlage vieler Nahrungsketten, auswirken.
„Es sind daher nun weitere Studien nötig, um die Auswirkungen auf marine Ökosysteme und Organismen in der Nordsee zu untersuchen“, konstatiert Christiansen. Besonders relevant ist dies, weil in der Deutschen Bucht Offshore-Windparks im großen Ausmaß ausgebaut werden sollen.
Frontiers in Marine Science, doi: 10.3389/fmars.2022.818501