Robert Klatt
Das deutsche Start-up Bluu Biosciencess hat ein Verfahren zur zellbasierten Fischproduktion entwickelt. Die Markteinführung soll bereits Ende 2023 erfolgen.
Lübeck (Deutschland). Laut Daten der WWF sind 60 Prozent der kommerziell genutzten Fischbestände maximal genutzt und 33 Prozent bereits überfischt. In der Realität ist die Situation sehr wahrscheinlich noch kritischer, weil zu vielen Beständen keine zuverlässigen Informationen existieren. Dies gefährdet nicht nur die Ökosysteme und Nahrungsketten in den Meeren, sondern auch die Ernährung von Millionen von Menschen, denen wichtigste Eiweißquelle Fisch ist.
Im Gegensatz zu Laborfleisch, das unter anderem in Singapur bereits eine Zulassung erhalten hat, ist Fleischersatz aus Zellkulturen bisher noch kaum erforscht. Nun hat das Unternehmen Bluu Biosciences, eine Ausgründung der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik, das auf die Entwicklung und Herstellung von zellbasiertem Fisch spezialisiert ist, diese Forschungslücke geschlossen.
Die Wissenschaftler entnehmen dazu per Biopsie ein kleines Stück Gewebe eines Fisches, um die benötigen Zellen zu erhalten. Diese isolierten Zellen werden im Labor dann in eine Art Stammzellen umgewandelt, damit sie sich unendlich oft teilen können. Im Anschluss werden die Zellen in einen Bioreaktor mit einer Nährlösung eingebracht.
Um die Produktion der Fischzellen auch aus ökonomischen Gesichtspunkten zu einer validen Alternative zu machen, konzentrieren sich die Wissenschaftler derzeit auf die Optimierung der Nährmedien. Dabei soll parallel auch die Zellcharakteristika, aus der der Geschmack und die Texter des Laborfischs resultiert, verbessert werden. Möglich ist dies unter anderem durch einen höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren, die zentrale Geschmacksträger sind.
Das Team arbeitet überdies daran die im aktuellen Nährmedien enthaltenen fötalen Kälberserum (FKS) durch pflanzenbasierte Wachstumsfaktoren zu substituieren. „Unser erster Prototyp wird komplett FKS-frei sein“, erklärt Sebastian Rakers, Geschäftsführer von Bluu Biosciences.
Sobald diese Entwicklungsschritte erfolgreich durchlaufen wurden, soll die Herstellungsmethode für den Einsatz in der Industrie skaliert werden. Geplant ist anfangs die Produktion von Fischbällchen, Fischstäbchen und Fischtartar, die neben den Zellkomponenten auch pflanzliches Protein enthalten werden.
Später soll auch Fischfilet produziert werden. Dazu muss das aktuelle Verfahren aber noch verändert werden, um die porösen Gerüststrukturen im Bioreaktor so aufzubauen, dass die Zellen genügend Nährstoffe und Sauerstoff erhalten. „Nur wenn dies gewährleistet ist, können die auf den Gerüststrukturen wachsenden Zellen sich so strukturieren und ausbilden, wie sie es im natürlichen Fischgewebe auch tun würden“, erklärt Rakers.
Die zellbasierte Fischproduktion ist laut ihren Entwicklern sehr vorteilhaft für die Umwelt. „Die Schlachtung von Fischen entfällt und idealerweise ist eine Biopsie nur einmalig erforderlich“, erläutert Rakers. Eine Fischentnahme aus den Ozeanen könnte durch die Alternative aus dem Bioreaktor also ersetzt werden.
Im Gegensatz zu Aquakulturen, die die Meere stark belasten, werden außerdem die fragilen Ökosysteme entlasten. Einen weiteren Vorteil sehen die Wissenschaftler darin, dass die zellbasierten Fabriken an praktisch jedem Ort der Welt funktionieren können. Dies ermöglicht kurze Lieferketten und spart dadurch CO2-Emissionen.
„Wir sehen hier einen stark wachsenden Markt. In Kreislaufwirtschaft hergestellten Produkten gehört die Zukunft“, konstatiert Rakers. Der mithilfe modernster Biotechnologie erzeugte zellbasierte Fisch könnte somit einen hohen Beitrag bei der globalen Versorgung mit tierischem Eiweiß leisten. Die Markteinführung soll bereits Ende 2023 erfolgen. Anfangs sollen aufgrund der begrenzten Menge nur Restaurants der Laborfisch erhalten, später sollen auch Supermärkte beliefert werden.