Ernährung

EU erlaubt Mehlwürmer in Brot und Kuchen

 Dennis L.

Ab dem 10. Februar darf Mehlwurmpulver offiziell in Brot und Kuchen verarbeitet werden. Die EU verspricht eine nachhaltige Proteinquelle und eine natürliche Vitamin-D-Anreicherung – doch nicht jeder sieht das positiv. Während Befürworter auf die Umweltvorteile verweisen, warnen Kritiker vor Allergierisiken und unzureichender Verbraucheraufklärung. Ist das der Beginn einer neuen Ära der Lebensmittelproduktion oder ein Experiment mit ungewissen Folgen? )kcotS ebodAaTraB(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • EU erlaubt Mehlwurmpulver als Zutat in Lebensmitteln
  • Kennzeichnungspflicht soll Verbraucher über Allergene und Vitamin D informieren
  • Nachhaltigkeit und gesundheitliche Vorteile stehen kritischen Stimmen gegenüber

Welche Auswirkungen hat die Zulassung von Mehlwurmpulver in Lebensmitteln auf Verbraucher und die Lebensmittelindustrie? Eine neue EU-Verordnung ermöglicht es, Brot und Kuchen mit bis zu vier Prozent UV-behandeltem Mehlwurmpulver anzureichern – mit der Begründung, eine natürliche Vitamin-D-Quelle bereitzustellen. Doch nicht jeder sieht darin eine unbedenkliche Innovation. Neben Fragen zur Kennzeichnung und möglichen allergischen Reaktionen wird auch diskutiert, ob der Verzehr von Insektenprodukten tatsächlich eine sinnvolle Ergänzung zur menschlichen Ernährung ist oder eher wirtschaftlichen Interessen dient.

Brüssel (Belgien). Die Verwendung von Insekten als Nahrungsmittel gewinnt in Europa zunehmend an Bedeutung. Bereits im Mai 2021 wurde der getrocknete gelbe Mehlwurm (Tenebrio molitor) als erstes Insekt in der Europäischen Union als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Seither sind weitere Insektenarten wie die Wanderheuschrecke und die Hausgrille für den menschlichen Verzehr freigegeben worden. Diese Entwicklungen zielen darauf ab, alternative Proteinquellen zu etablieren, die sowohl ökologisch nachhaltig als auch ernährungsphysiologisch wertvoll sind.

Mehlwürmer zeichnen sich durch einen hohen Proteingehalt von etwa 45 Gramm pro 100 Gramm aus und liefern zudem essenzielle Aminosäuren, ungesättigte Fettsäuren sowie Mikronährstoffe wie Eisen, Zink und Vitamin B12. Befürworter heben hervor, dass die Zucht von Mehlwürmern im Vergleich zur konventionellen Viehhaltung weniger Ressourcen wie Land und Wasser benötigt und dabei geringere Treibhausgasemissionen verursacht. Dennoch bestehen in der Bevölkerung Vorbehalte gegenüber dem Verzehr von Insekten, die von kulturellen Barrieren bis hin zu Bedenken hinsichtlich möglicher allergischer Reaktionen reichen.

Neue EU-Verordnung: Mehlwurmpulver in Lebensmitteln erlaubt

Am 10. Februar 2025 tritt die Durchführungsverordnung (EU) 2025/89 der Europäischen Kommission in Kraft, die die Verwendung von UV-behandeltem Pulver aus den Larven des Mehlwurms (Tenebrio molitor) als neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union genehmigt. Diese Entscheidung ermöglicht es Herstellern, das Mehlwurmpulver in verschiedenen Lebensmitteln wie Brot, Kuchen, Teigwaren, verarbeiteten Kartoffelprodukten, Käse sowie Obst- und Gemüsekompotten zu verwenden. Die zulässigen Höchstmengen variieren je nach Produktkategorie: In Brot und Kuchen dürfen bis zu 4 Gramm Mehlwurmpulver pro 100 Gramm Endprodukt enthalten sein, während in Käse der Höchstgehalt bei 1 Gramm pro 100 Gramm liegt. Durch die UV-Behandlung des Pulvers wird der Gehalt an Vitamin D3 erhöht, was zur Anreicherung der genannten Lebensmittel mit diesem Vitamin beitragen soll.

Die Zulassung des UV-behandelten Mehlwurmpulvers basiert auf einer wissenschaftlichen Bewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die im März 2023 zu dem Schluss kam, dass das neuartige Lebensmittel unter den vorgeschlagenen Verwendungsbedingungen und -mengen als sicher eingestuft werden kann. Allerdings wies die EFSA darauf hin, dass der Verzehr des Pulvers bei Personen mit Allergien gegen Krebstiere und Hausstaubmilben allergische Reaktionen auslösen kann. Daher schreibt die Verordnung spezifische Kennzeichnungsvorschriften vor: Lebensmittel, die das Mehlwurmpulver enthalten, müssen den Hinweis tragen, dass diese Zutat bei empfindlichen Personen allergische Reaktionen hervorrufen kann. Zudem ist anzugeben, dass das Produkt durch UV-Behandlung erzeugtes Vitamin D enthält, sofern der Vitamin-D-Gehalt einen signifikanten Wert erreicht. Die Zulassung ist zunächst auf fünf Jahre beschränkt und gilt exklusiv für das französische Unternehmen Nutri’Earth, das das UV-behandelte Mehlwurmpulver in der EU in Verkehr bringen darf.

Warum Mehlwürmer? Die Idee hinter der Zulassung

Die Zulassung von Mehlwurmpulver als neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union basiert auf mehreren Faktoren, die sowohl ökologische als auch ernährungsphysiologische Aspekte berücksichtigen. Ein zentrales Argument ist die Nachhaltigkeit: Mehlwürmer benötigen für ihre Zucht signifikant weniger Ressourcen als traditionelle Nutztiere. Sie verbrauchen weniger Futter, Wasser und Platz und produzieren dabei geringere Mengen an Treibhausgasen. Diese Effizienz macht sie zu einer potenziell umweltfreundlicheren Proteinquelle, die zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks der Lebensmittelproduktion beitragen könnte. Zudem sind Mehlwürmer reich an Proteinen, ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen und Mineralstoffen, was sie aus ernährungswissenschaftlicher Sicht attraktiv macht. Durch die UV-Behandlung des Pulvers wird der Gehalt an Vitamin D3 erhöht, einem Nährstoff, dessen Mangel in verschiedenen Bevölkerungsgruppen Europas verbreitet ist. Die Anreicherung von Lebensmitteln mit Mehlwurmpulver könnte somit einen Beitrag zur Verbesserung der Nährstoffversorgung leisten.

Trotz dieser potenziellen Vorteile gibt es auch kritische Stimmen, die verschiedene Bedenken äußern. Ein Hauptanliegen betrifft die Akzeptanz in der Bevölkerung: Insekten als Nahrungsmittel sind in vielen westlichen Kulturen noch nicht etabliert, und es bestehen Vorbehalte gegenüber ihrem Verzehr. Zudem gibt es gesundheitliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich möglicher allergischer Reaktionen. Personen mit Allergien gegen Krebstiere oder Hausstaubmilben könnten auch auf Mehlwurmpulver reagieren. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat daher empfohlen, entsprechende Kennzeichnungsvorschriften einzuführen, um Verbraucher zu informieren. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Exklusivität der Zulassung: Das französische Unternehmen Nutri’Earth besitzt für fünf Jahre das alleinige Recht, UV-behandeltes Mehlwurmpulver in der EU zu vertreiben, was Fragen zum Wettbewerb und zur Marktregulierung aufwirft.

Pro und Contra der Zulassung von Mehlwurmpulver

Pro:

  1. Nachhaltige Proteinquelle mit geringem Ressourcenverbrauch
  2. Hoher Nährstoffgehalt, einschließlich essenzieller Aminosäuren und Vitamine
  3. Möglichkeit zur Anreicherung von Lebensmitteln mit Vitamin D3
  4. Potenzial zur Diversifizierung der Ernährung und Reduzierung der Abhängigkeit von traditionellen Fleischquellen

Contra:

  1. Kulturelle Akzeptanzprobleme und mögliche Ablehnung durch Verbraucher
  2. Risiko allergischer Reaktionen bei empfindlichen Personen
  3. Mangelnde Langzeitstudien zu gesundheitlichen Auswirkungen des regelmäßigen Verzehrs
  4. Monopolstellung eines einzelnen Unternehmens könnte den Wettbewerb einschränken

Die Einführung von Mehlwurmpulver in die europäische Lebensmittelproduktion stellt somit einen Balanceakt zwischen innovativen Lösungsansätzen für globale Ernährungsherausforderungen und der Notwendigkeit dar, Verbraucherbedenken ernst zu nehmen und umfassende Sicherheitsbewertungen durchzuführen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Markt entwickelt und inwieweit die Bevölkerung bereit ist, Insektenprodukte in ihre tägliche Ernährung zu integrieren.

Kennzeichnungspflicht und rechtliche Vorgaben für Mehlwurmpulver

Die Zulassung von Mehlwurmpulver als neuartiges Lebensmittel in der Europäischen Union bringt umfangreiche Kennzeichnungspflichten mit sich, um Transparenz für Verbraucher zu gewährleisten und potenzielle Gesundheitsrisiken zu minimieren. Gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2025/89 muss die Zutat unter der offiziellen Bezeichnung „UV-behandeltes Larvenpulver von Tenebrio molitor (Mehlwurm)“ in der Zutatenliste aufgeführt werden. Zusätzlich ist ein deutlicher Hinweis erforderlich, dass das Produkt allergische Reaktionen bei Personen auslösen kann, die empfindlich auf Krebstiere oder Hausstaubmilben reagieren. Diese Regelung basiert auf einer Risikobewertung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die feststellte, dass Insektenproteine Kreuzreaktionen mit bekannten Allergenen hervorrufen können. Zudem müssen Lebensmittelhersteller eine Nährwertkennzeichnung vornehmen, wenn das durch UV-Strahlung behandelte Mehlwurmpulver den Vitamin-D-Gehalt eines Produkts signifikant erhöht. In diesem Fall ist der Hinweis „enthält durch UV-Behandlung erzeugtes Vitamin D“ verpflichtend auf der Verpackung anzubringen.

Darüber hinaus gelten für Mehlwurmpulver die allgemeinen Bestimmungen der EU-Verordnung Nr. 1169/2011 zur Verbraucherinformation über Lebensmittel. Diese schreibt vor, dass Zutatenlisten vollständig und leicht verständlich sein müssen und allergene Bestandteile besonders hervorgehoben werden. Die Einhaltung dieser Vorschriften wird durch die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten kontrolliert. Die Nichteinhaltung kann nicht nur zu rechtlichen Konsequenzen führen, sondern auch das Vertrauen der Verbraucher in die Lebensmittelsicherheit beeinträchtigen. Kritiker bemängeln, dass trotz der vorgeschriebenen Kennzeichnungspflichten viele Verbraucher nicht ausreichend über die neuen Inhaltsstoffe in verarbeiteten Produkten informiert sind. Zudem sorgt die exklusive Marktzulassung für das französische Unternehmen Nutri’Earth für Bedenken hinsichtlich des Wettbewerbs und der Markttransparenz. Während Befürworter die Einführung als einen Fortschritt für nachhaltige Lebensmittelinnovationen betrachten, bleibt abzuwarten, wie streng die Kennzeichnungspflichten tatsächlich durchgesetzt werden und ob Verbraucher ausreichend sensibilisiert sind, um informierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Spannend & Interessant
VGWortpixel